Tatort – Pumpen

Neuhauser, Krassnitzer, Stipsits, Lomot/Buchschwenter, Kopriva. Zum Platzen gespannt

Foto: ORF / Hubert Mican
Foto Thomas Gehringer

Muskelberge, schwarzer Humor, ein Hauch von James Bond und eine Liebesgeschichte für Bibi: „Pumpen“, die 23. gemeinsame, betont physische „Tatort“-Folge mit Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser, führt ins Umfeld eines Fitness-Studios, in dem eine „Balkan-Connection“ ihr Unwesen treibt. Polizei-Sidekick Fredo Schimpf (Thomas Stipsits) trumpft mit einem schmerzhaften Undercover-Einsatz auf, und auch Majorin Bibi Fellner ist diesmal mehr als die einsame Alkoholikerin an der Seite ihres Freundes Moritz Eisner. Der Fall lebt wie gewohnt vom unterhaltsamen Zusammenspiel der Ermittler und dem hier teilweise besonders makabren österreichischen Zungenschlag. Die Leichen-Bilder eines vom Zug überrollten Mannes sind allerdings grenzwertig, und Albaner sind, was sie im deutschsprachigen Fernsehen fast immer sind: kriminell oder arm.

Ein Mann liegt auf den Schienen, erwacht, kann sich aber nur mühsam bewegen, scheint wie betäubt, während ein Zug näher kommt. Ein Krimi-Auftakt wie ein klassischer Alptraum. Auch Majorin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) schreckt aus dem Schlaf hoch, dennoch ist für sie die Welt an diesem Morgen schwer in Ordnung. Erstmals erleben die Zuschauer die Wiener „Tatort“-Kommissarin im Liebesglück, samt fröhlichem Singen unter der Dusche und ungewöhnlich freizügigen Bildern. Das Glück endet, als zwei Polizisten vor der Tür stehen und nach einer in dieser Wohnung gemeldeten Frau fragen. Ihr neuer Freund (Christoph Kail) beteuert, diese Frau gar nicht zu kennen, doch Bibi glaubt ihm nicht. Ablenkung bietet ihr der nächste Fall, der den österreichischen Hang zum schwarzen Humor auf die Spitze treibt: Mit Bildern des vom Zug überrollten, in der Mitte zerteilten Mannes, mit neben den Gleisen gefundenen dritten Zähnen und vollkommen unbeeindruckten Ermittlern, die am Tatort ungerührt den morgendlichen Imbiss verzehren und über Mord oder Selbstmord diskutieren. Nach dem Termin in der Pathologie suchen Fellner & Eisner (Harald Krassnitzer) auch noch den Würschtlstand auf. Eisner bestellt einen „Eitrigen“, dessen Anblick den Zuschauern ausnahmsweise erspart bleibt. Darsteller Harald Krassnitzer erläutert im Presseheft, es handele sich um „den viel gerühmten, österreichischen Käsekrainer“, eine Wurst, bei der, wenn man sie ansticht, die Käsepartikel wie Eiter aus einer Wunde herausplatzen. Wohl bekomm’s.

Tatort – PumpenFoto: ORF / Hubert Mican
Den reiferen Herrschaften ist nicht nach Pumpen zumute: Fellner (Adele Neuhauser) und Eisner (Harald Krassnitzer) verschlägt es bei den Ermittlungen zu einem ziemlich unappetitlichen Mord in ein Fitness-Studio. Susi (Michaela Schausberger)

Dafür gibt es bald männliche Körper zu bestaunen, deren Bizeps- und sonstige Muskelpakete ebenfalls zum Platzen gespannt scheinen. Der Torso des Toten hatte ähnliche Ausmaße, außerdem fand sich in seinem Körper ein nicht zugelassenes Medikament, was in einschlägigen Kreisen zum Fettab- und Muskelaufbau verwendet wird. Bald haben die Ermittler das Fitness-Studios gefunden, in dem das Opfer verkehrte, ein aus dem Kosovo geflüchteter Österreicher mit einer Vorliebe für James-Bond-Filme und entsprechende Autos. Vor dem Studio treffen Eisner und Fellner auch einen ehemaligen Polizei-Kollegen: Rainer Kovacs (Anton Noori), der dort ebenfalls „pumpen“ geht, berichtet von einer „Balkan-Connection“ und wird beauftragt, Augen und Ohren offen zu halten. Die einigermaßen vorhersehbaren Ermittlungen in einer Szene, in der die klassischen Bösewichter schon äußerlich leicht zu erkennen sind und überdies immer finster gucken, nehmen immerhin eine überraschende und spannende Wende, die sogar Bibis neuen Freund entlastet und am Ende für einen sozialkritischen Touch sorgt. Allerdings stellt sich die Frage, warum vom Balkan stammende Krimi-Figuren im multikulturellen Wien (fast) immer entweder kriminell oder arm sein müssen. Vorsorglich wurde ein auf „Balkanesen“ schimpfender Taxifahrer eingebaut, dem Eisner den Mittelfinger zeigen kann, aber die gängigen Klischees bedient der Film trotzdem.

Erfrischend ist, dass Bibi Fellner mal mehr als die einsame Alkoholikerin an der Seite ihres Kollegen Moritz Eisner sein darf – ohne dass nun gleich alles in rosaroten Farben leuchten würde. Krassnitzer muss auch keine Eifersuchtsszenen spielen, vielmehr rückt die enge Freundschaft der beiden angenehm beiläufig in den Vordergrund. Für etwas Auflockerung sorgt erneut der übereifrige Chefinspektor Manfred „Fredo“ Schimpf (Thomas Stipsits), der sich auf eigene Faust als Undercover-Agent versucht und natürlich (mehr als) eine blutige Nase holt. Im Übrigen bietet der ORF-„Tatort“ verlässlich die unverwechselbare österreichische Note, mal mehr, mal weniger gelungen: Wunderbar kratzbürstig und schlagfertig die alte Nachbarin des Toten, da fühlt man sich gleich heimisch in Wien. Pures Klischee die überzeichnete Figur der Susi am Empfang des Fitness-Studios, die offenbar das weibliche Klischee-Pendant zu den männlichen Muskelprotzen bilden soll.

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Reihe

ORF

Mit Adele Neuhauser, Harald Krassnitzer, Thomas Stipsits, Anton Noori, Hubert Kramar, Christoph Kail, Laurenz Rupp, Viktor Krüger, Bozidar Kocevski, Kevin Stütz, Michela Schausberger

Kamera: Josef Mittendorfer

Szenenbild: Hubert Klausner

Kostüm: Christine Ludwig

Schnitt: Bernhard Schmid

Musik: Matthias Weber

Redaktion: Bernhard Natschläger, Andrea Zulehner

Produktionsfirma: Allegro Film

Produktion: Helmut Grasser

Drehbuch: Karin Lomot, Robert Buchschwenter

Regie: Andreas Kopriva

Quote: 8,26 Mio. Zuschauer (25,5% MA)

EA: 06.09.2020 20:15 Uhr | ARD

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