Im Jubiläenfeiern haben die Übung, die Herren Leitmayr und Batic. Das Ermittler-Duo vom Münchner “Tatort” durfte bereits den 300. und den 400. Krimi des ARD-Flaggschiffs beisteuern, jetzt feiern die Bayern intern: “Norbert” ist der 50. “Tatort” aus der blauweißen Landesmetropole. Eine Geschichte, die auf ihre Protagonisten setzt und bei der die Spannung aus Sympathie fürs Ermittlertrio und aus Mitleid mit dem Titel-“Helden” resultiert.
Norbert ist dicklich, kommt schnell ins Schwitzen, und er will es jedem recht machen. Freunde hat er keine, nur einen grantigen bettlägerigen Vater, den er pflegt. In seiner Phantasie hat er eine Freundin, in Wirklichkeit aber geht er in eine “Table Dance”-Bar. Als er eines Abends aus dem Lokal taumelt, läuft er beinahe in ein Fahrrad. Wenig später ist die junge Radfahrerin tot. Als Batic und Leitmayr Norbert den Abend darauf zufällig am Tatort entdecken, ist der völlig verwirrte Mann plötzlich der Hauptverdächtige. Nach harten Verhören gesteht er die Tat. Doch dann gibt es eine zweite Leiche. Ein Mord nach gleichem Muster: wieder eine junge Frau, in aufreizenden Dessous und die Füsse zerschnitten.
“Ich wollte Sie doch nicht enttäuschen”, sagt der Mittdreißiger Norbert mit großen Kinderaugen zu Hauptkommissar Franz Leitmayr. Ihn hat er sich ausgeguckt als “Freund”. Missverstanden hat er das Verhör-Spiel der beiden Ermittler: Der eine mimt den Bösen, der andere macht den Guten. Aber auch, als er wieder auf freiem Fuss ist und eine geradezu hündische Anhänglichkeit zu Leitmayr entwickelt, versteht er nichts – und lädt den Italiener-Fan zum Abendessen: Ravioli aus der Dose. Jürgen Tarrach spielt seinen Norbert mit so viel tragischer Gewissheit, dass sogar die augenzwinkernden Scharmützel zwischen Ivo, Franz und Carlo ins Hintertreffen geraten.
“Eine arme Sau”, so bezeichnet auch Drehbuchautor Harald Göckeritz seinen Dicken von der traurigen Gestalt. “Zu naiv für diese Welt, zu langsam, zu schüchtern.” Der Mordverdacht verändert sein Leben. “Da gibt es auf einmal Menschen, die sich für ihn interessieren – auch wenn es sich dabei um Bullen handelt, die eigentlich nur wollen, dass er den Mord gesteht”, so Göckeritz. Für ihn ist “Norbert” vor allem “eine Geschichte eines Menschen, der aus der Bahn geworfen wird und das Ghetto seines bisherigen Lebens sprengt”.
Der 50. BR-“Tatort” ist psychologisch dicht und frisch von Niki Stein inszeniert. Ein würdiger Jubiläumskrimi des stets bestens disponierten Münchner Trios. Vor fast neun Jahren startete es umstritten und wurde dann von Film zu Film besser – egal ob Profis wie Rödl, Graf, Emmerich oder Schulze-Rohr das Sagen hatten oder ob man Nachwuchs-Leuten wie Orkun Ertener, Michael Wogh, Thomas Freudner oder Jobst Oetzmann eine Chance gibt. Bei BR-”Tatort” 1 bis 15 war das ähnlich – damals führte Gustl Bayrhammer das Regiment. Helmut Fischer hatte dann nicht mehr so viel Glück mit den Büchern, und Hans Brenner und Günther Maria Halmer stiegen bereits nach ihrem ersten Fall aus. (Text-Stand: 28.11.2000)