Nach Sawatzki bekam nun auch Jörg Schüttauf sein erstes Solo beim „Tatort“. So wie im Dezember der abstruse Fall der Charlotte Sänger die Kommissarin von der Ermittlungsroutine enthob, so bekam auch der Midlife-Crisis-geschüttelte Fritz Dellwo viel Freiraum. „Ich arbeite immer nur rückwärts, es wird immer alles weniger“, heulte er sich bei seiner ersten großen Liebe aus. Doch die plagten handfestere Nöte – so wie das ganze Dorf, in dem der Kommissar nur mal ausspannen wollte und sich gleich mit zwei Morden konfrontiert sah. Weil der Dorfbulle wenig raffte, leistete Dellwo Amtshilfe, aber auch er stand gelegentlich neben sich und schlug über die Stränge.
„Neuland“, der Titel ist Programm. Der Film, bei dem der Hessische Rundfunk mal wieder auf neue Kräfte setzte, betrat ein Feld, das zuletzt nur einmal Schimanski beackerte oder in den 70er Jahren die legendären „Tatorte“ von Wolfgang Petersen. „Neuland“, das klingt nach Pioniergeist, nach Western, aber auch nach Einkaufszentrum. Die Pistolen saßen locker, die Nerven blank und das Testosteron zwang die Männer, das zu tun, was Männer tun müssen. Devid Striesow, Matthias Habich und Peter Kurth waren stark und Schüttauf gab Götz George besser als das Original. Doors, Dylan, Donovan, Hendrix und Led Zeppelin spielten das Lied vom Tod und Dellwo blies die Mundharmonika dazu. Dass es kein reiner Männerfilm war, dafür sorgte die großartige Nina Kunzendorf. Hinzu kamen knappe essenzielle Dialoge und sprechende Bilder. Das alles machte aus „Neuland“ den ersten überragenden „Tatort“ 09.
Foto: HR / Krause-Burberg