Zwischen Sebastian Feuerbach (Nikolai Kinski) und seinem Geschäftspartner und Freund Victor Rousseau (Steve Windolf) gibt es Streit um die Firma Compact, die beide gemeinsam aufgebaut haben. Das Unternehmen, das mit digitalen Daten handelt, steht vor einem wichtigen Deal mit der Autoindustrie. Kurz darauf rast Feuerbach mit einem autopilotierten, hochmodernen Prototypen, der mit Sensoren und Kameras ausgestattet ist („sieht ein bisschen aus wie Zurück die Zukunft 4“) mit Höchstgeschwindigkeit in den Tod. Es sieht nach Selbstmord aus. Kommissar Stellbrink (Devid Striesow) glaubt nicht daran. Denn ihm fällt ein blutiger Fingernagel am Türgriff im Innenraum auf: Wer sterben will, der versucht doch nicht die Tür zu öffnen. Und so ermittelt er – gemeinsam mit Kollegin Lisa Marx (Elisabeth Brück) und der Kommissaranwärterin Mia Emmrich (Sandra Maren Schneider) – und erfährt, dass die Computer der Firma in der gleichen Nacht gehackt worden sind und die fehlenden Daten das selbstfahrende Auto betreffen. Hinter der Aktion stecken die sehr attraktive Hackerin Natascha (Julia Koschitz) und ihr jähzorniger Freund Marco Fichte (Anton Spieker). Die Frau entpuppt sich als Prüferin von Sicherheitslücken („eine Million, wenn ich es schaffe, in das System einzudringen“) und durch sie bekommt Stellbrink Einblicke in die Verwicklungen der Firmengründer. Eine heiße Spur führt schließlich nach Frankreich.
„Der „Tatort – Mord Ex Machina“ bringt den vorletzten Einsatz für Jens Stellbrink. Seinen Abschied von der Rolle als „Tatort“-Kommissar hat Devid Striesow bekannt gegeben, nachdem die letzten beiden Filme (2019 folgt noch ein weiterer mit dem Titel „Der Pakt“) abgedreht waren. Striesow ist ein großartiger Schauspieler, allein in den letzten Jahren überzeugte er in „Das weiße Kaninchen“, „Katharina Luther“, „Wir sind jung. Wir sind stark“, „Ein guter Sommer“ oder „Zeit der Kannibalen“. Doch mit der Figur des Ermittlers in Saarbrücken wurde er einfach nicht warm. Der Start 2013 war ein Flop, sein Team eine Katastrophe, man verspottete ihn als „peinliche Schießbudenfigur“, danach versuchte man an dem Charakter zu schrauben, rückte Stellbrink mehr und mehr in den Mittelpunkt. Er bekam für eine Folge einen Sohn, wechselte von der roten Vespa auf ein Motorrad, machte immer weniger Yoga, war nicht mehr so verschroben, wurde immer normaler und damit aber nicht unbedingt interessanter. Sein Team wurde zurechtgestutzt, agiert auch in diesem Krimi fast nur noch im Hintergrund. Diesmal hat Striesow schauspielerisch endlich eine Gegenspielerin auf Augenhöhe. Julia Koschitz als taffe Hackerin Natascha ist eine gelungene Besetzung und setzt Akzente in diesem Krimi um Hightech-Automobile, Datenschutz und Hackerattacken.
Die Geschichte stammt von Hendrik Hölzemann, frei nach einer Vorlage von David Ungureit. Hölzemann hatte mit „Nichts bereuen“ und „Kammerflimmern“ zwei bemerkenswerte Drehbücher geschrieben, dann war es lange ruhig um ihn, im Vorjahr lieferte er gemeinsam mit Sven Taddicken das Buch zum Kinofilm „Gleißendes Glück“. Spektakulär in Szene gesetzt wird dieser „Mord Ex Machina“ von Christian Theede, der bisher für die ARD vor allem Märchenfilme gedreht hat und hier sein Tatort-Debüt gibt. Ein Auto als Mordmaschine – das gab es ja erst in dem exzellenten Bremer Fall „Nachtsicht“. Nur hier wird es auch noch quasi von Geisterhand gesteuert. Der Wagen steckt voller innovativer Software, fährt selbstständig, analysiert die Biowerte der Insassen und hat zig Kameras an Bord. Die Lösung des Falls führt zurück in die Vergangenheit, genauer gesagt nach Nancy ins Jahr 2002, und zu einem Vorgang, der auch schon Menschenleben gekostet hat. Um dahin zu kommen, hat der Autor im „Tatort – Mord Ex Machina“ ein schwer zu durchschauendes Beziehungsgeflecht der Hauptbeteiligten entworfen, das zu entschlüsseln aber durchaus seinen Reiz hat.
„Das Schöne an der digitalen Welt ist, dass da nichts verloren geht… man muss nur wissen, wo man suchen muss“, sagt Firmenboss Rousseau relativ zu Beginn. Und Kommissar Stellbrink nimmt am Ende genau diesen Satz auf, als sich das Blatt wendet. Zunehmend beschäftigen sich „Tatort“-Krimis mit neuen Technologien – von „Level X“ bis „ HAL“. Es geht um das kriminelle Potential der Digitalisierung, das Abwägen zwischen Freiheit und Gefahren der technischen Revolution. Das wird sehr beklemmend, aber auch kompliziert erzählt. Die Inszenierung versucht, der Komplexität des Themas gerecht zu werden. Wenn Computer eine wesentliche Rolle spielen, müssen die auch „zeigbar“ in die Handlung integriert werden. Theede findet dafür eine gelungene Bildästhetik. So bekommt der Krimi eine moderne, frische Handschrift. Als Kontrast zur schönen neuen Welt muss der Kommissar herhalten, denn Stellbrink steht den neuen Technologien skeptisch gegenüber („geben sie mir mal eine ganz analoge Pinzette“). Herausgefordert wird er von der Hackerin Natascha. Die zeigt, wie gläsern der Mensch durch das Internet geworden ist. Sie fördert einiges aus Stellbrinks Vergangenheit und Gegenwart zu Tage. So outet sie ihn vor den Kollegen als „Johnny Guitar“, der im Internet nach einer Partnerin sucht. Da er dagegen hält, entwickelt sich ein äußerst reizvolles Duell zwischen der Schönen und dem Ermittler, der deutlich geerdeter agiert als in den bisherigen Fällen. Das ist schauspielerisch überzeugend und spannend anzusehen. Und so macht sich Devid Striesow mit „Mord Ex Machina“ auf einen versöhnlichen Weg des Abschieds von seiner Rolle als „Tatort“-Kommissar.