Tatort – Letzte Tage

Mattes, Bezzel, Koch, Rudziewicz, Elmar Fischer. Sehnsüchtige Vorboten des Todes

Foto: SWR / Stephanie Schweigert
Foto Rainer Tittelbach

Der „Tatort – Letzte Tage“ macht viele Fässer auf: Arzneimittelskandal, Erpressung als Altersvorsorge, Anflüge von Korruption, ein verliebter Perlmann, der sich emotional was traut, und ein „Muttchen“ Blum, das sich nichts traut – und ihre „Sympathien“ für den Schweizer Kollegen in Antipathie umwertet. Variationen des üblichen Kompetenzgerangels und eine unmoralische Firmenpolitik als wohlfeiler Spritzer Sozialkritik sind gängige Krimi-Muster; ein zu Tangoklängen verführter Kommissar dagegen ist selten im „Tatort“-Angebot!

Ein Toter auf der Bodensee-Fähre. Für Kommissarin Blum heißt das zunächst einmal Ärger – denn, was die Ermittlungskompetenzen betrifft, hat sie eine andere Auffassung als ihr Schweizer Kollege Matteo Lüthi. Auch was den Fall selbst angeht, sind sich die beiden uneinig. Der Tote befand sich im Endstadium einer Leukämieerkrankung. Der Thurgauer Kollege, der offenbar kriminelle Machenschaften seiner Landsleute zu decken scheint, geht deshalb von Selbstmord aus. Da gibt die Deutsche schon mal aus Prinzip contra, doch bald findet Kommissarin Blum auch genügend Indizien, die für Mord sprechen. Ins Zentrum der Ermittlungen rücken ein Schweizer Pharmaunternehmen und eine Leukämie-Selbsthilfegruppe aus Konstanz, der der Tote angehörte. Der ging jedoch zuletzt auf Konfrontationskurs – auch zu jenem Schweizer Pharmakonzern, für dessen neues Medikament er wie auch andere Mitglieder der Selbsthilfegruppe an einer Patientenstudie teilnahm. Ganz andere Einblicke in die Krankheit bekommt Kommissar Perlmann. Er verguckt sich in die Medizinstudentin Mia, die auch auf ihn ein Auge geworfen hat. Beide verbringen eine außergewöhnliche Nacht miteinander. Am anderen  Morgen steht Blum mit einem Haftbefehl in der Tür.

Ein möglicher Arzneimittelskandal, Erpressung als Altersvorsorge, ein Anflug von Korruption, ein verliebter Kommissar, der sich emotional was traut, und eine Kommissarin, die sich nichts traut, sondern ihre „Sympathien“ für den Schweizer Kollegen in vermeintliche Antipathie umwertet. Es sieht so aus, als mache dieser „Tatort“ zahlreiche Fässer auf. Nicht alles ist so, wie zwischenzeitlich gedacht (Krimi eben!), kein Wunder, dass am Ende die Geschichte von „Letzte Tage“ reichlich wirr und die Handlung ziemlich überkonstruiert wirkt. Außerdem kennt man einige der dramaturgischen Versatzstücke dieses Krimis aus dem berühmten „Tatort“-Handbuch nur zu gut: Da ist das ewige Kompetenzgerangel zwischen den Ermittlern, hier wird es allerdings mit einem flirtendem Unterton (und ein Paar Handschellen, durch die Blum und Lüthi für einige Filmminuten aneinander gekettet sind) variiert, schade, dass diese Idee besser gedacht ist als sie umgesetzt wurde; und da ist die unmoralische Firmenpolitik als Krimi-Nebenschauplatz („Moral ist ein schlechter Ratgeber fürs Geschäft“), so was ist seit 40 Jahren gut für wohlfeile Sozialkritik, taugt aber üblicherweise nicht zum Mordmotiv.

Dagegen schon seltener ist das Motiv des verführten Kommissars. Dank der tiefen Tragik jener vom Sex besessenen Todgeweihten, die Männer braucht, um sich (noch ein letztes Mal) „lebendig“ zu fühlen, und Dank Natalia Rudziewicz’ Darstellung von verführerischer und gleichsam selbstzerstörerischer Erotik hinterlassen diese Szenen einen nachhaltigen Eindruck. Die Leidenschaft als Vorbote des Todes, Melancholie, dazu dezente Tangoklänge – und das Bandoneon weint. „Mein Kopf ist ein leerer Tanzsaal.“ Der Todestrieb nimmt Gestalt an. Die Schwere der Gedanken wird auch vom Bodensee getragen, so wie ihn Kameramann Stefan Sommer ins Bild setzt. Perlmann kommt mit dem Schrecken davon. Und der Zuschauer bekommt eine Ahnung, wie dieser fein inszenierte Film zu einem starken Krimidrama hätte werden können. Dazu fehlte dem SWR nur wieder der Mut. (Text-Stand: 1.6.2013)

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Reihe

SRF, SWR

Mit Eva Mattes, Sebastian Bezzel, Roland Koch, Natalia Rudziewicz, Teresa Harder, Oliver Wnuk, Tim Egloff, Robert Hunger-Bühler

Kamera: Stefan Sommer

Schnitt: Martina Butz-Kofer

Musik: Matthias Beine

Produktionsfirma: Maran Film

Drehbuch: Stefan Dähnert

Regie: Elmar Fischer

Quote: 9.02 Mio. Zuschauer (27,3% MA)

EA: 23.06.2013 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach