Tatort – Kinderland

Thomalla, Wuttke, Behrendt, Bär & ein ausrechenbares Crossover-Krimi-Konzept

Foto: MDR / Junghans
Foto Volker Bergmeister

Vier „Tatort“-Kommissare ermitteln in zwei Städten in zwei miteinander verbundenen Krimis. Ein an sich spannendes Crossover-Konzept, das aber nur teilweise aufgeht. Die beiden Teams sind sich in ihrer sozialkritischen Herangehensweise zu ähnlich, als dass hier mehr als kleine dramaturgische Reibungen entstehen könnten. Und die Ost-West-Gegensätze sind längst überholt. Story & Plot von „Kinderland“ sind darüberhinaus sehr konventionell geraten.

Das gab es so in der über 40jährigen „Tatort“-Geschichte noch nicht: Vier Kommissare ermitteln in zwei Städten in zwei miteinander verbundenen Krimis. Beide Fälle funktionieren als eigenständige Filme, haben abgeschlossene Geschichten, doch man kann sie auch als Fortsetzungsfolgen sehen, weil sie direkt aufeinander aufbauen. In „Kinderland“ des MDR und „Ihr Kinderlein kommet“ des WDR geht es um Straßenkinder und Kindesmissbrauch. Die Kölner Kommissare Schenk (Dietmar Bär) und Ballauf (Klaus J. Behrendt) sowie ihre Leipziger Kollegen Saalfeld (Simone Thomalla) und Keppler (Martin Wuttke) sind an beiden Schauplätzen gemeinsam im Einsatz. Die Drehbücher stammen von Jürgen Werner, Regie führt jeweils Thomas Jauch. Ein spannendes Crossover-Konzept, das nur teilweise aufgeht.

In „Kinderland“ geht es um die 15jährige Anna (Lotte Flack), die von ihrer Mutter als vermisst gemeldet wird, ehe ein anderes Mädchen in der Nähe des Leipziger Kinderstrichs tot aufgefunden wird. Bei dem Mordopfer handelt sich aber nicht um Anna, sondern um Lisa Noack, die seit geraumer Zeit auf der Straße lebt. Saalfeld und Keppler ermitteln in der Szene und stoßen dabei auf Gerd Tremmel (Hendrik Duryn), den Leiter des Kinder-Hilfsvereins „Kinderland e.V.“, und seine Frau Claudia (Margarita Broich), die Lisa als Ärztin behandelt hat. Zur gleichen Zeit wird in Köln eine 15jährige tot aus dem Rhein geborgen. Das Mädchen stammt aus Leipzig. Und so machen sich Ballauf und Schenk auf den Weg in den Osten.

Tatort – KinderlandFoto: MDR / Junghans
„Tatort – Kinderland“: Bilder, wie man sie immer häufiger in deutschen Krimis sieht. Leipziger „Babystrich“ als Wohnzimmer-Tapete? Die „üblichen“ Bilder – ohne Atmosphäre und ohne Mut zum Gegenbild (dafür müssten aber solche Geschichten vor allem radikaler erzählt sein). Wo hört Realismus auf, wo fängt Voyeurismus an?

Nicht sonderlich originell die Szene wie die beiden Duos aufeinandertreffen: Ballauf wird von Keppler für einen Kunden auf dem Straßenstrich gehalten. Und da sind wir schon bei der Schwachstelle dieser Folge. Sehr konventionell ist die Geschichte als Whodunit-Krimi erzählt, bietet bekannte Muster, kaum Überraschendes und auch die Auflösung kommt einem vor, als hätte man sie „schon tausendmal gesehen“. Den Beziehungen zwischen den beiden Duos fehlt das Originelle: Ballauf und Keppler können nicht miteinander, Saalfeld und Schenk hingegen sehr. Das setzt sich in Köln fort. So reiht sich dieser Krimi in die bisher zwar quotentechnisch erfolgreichen, aber qualitativ weitgehend enttäuschenden Fälle des Leipziger-Duos ein. Wuttke & Thomalla finden einfach nicht zueinander, daran ändert auch die „Hilfe“ von außen nichts.

Beide Krimis leben von der Betrachtung sozialer Wirklichkeit – was für die meisten „Tatort“-Episoden aus Köln und Leipzig gilt. So ist das Konzept, die beiden Duos mal gemeinsam ermitteln zu lassen, zwar nicht abwegig, erweist sich letztlich aber als überflüssig. Denn die beiden Teams sind sich in ihrer Herangehensweise zu ähnlich, als dass hier mehr als kleine dramaturgische Reibungen entstehen könnten. Nichts gegen Crossover-Projekte im „Tatort“ (der Mut sei an dieser Stelle ausdrücklich gelobt!), aber bitte dann schon richtig! Vielleicht sollte man die kantigen Hessen auf die komischen Münsteraner loslassen oder die gewitzten Bayer-Buddies auf die spröde Einzelkämpferin Lindholm im Norden. Da wäre dramaturgischer und spielerischer Sprengstoff drin. Denn Ost-West-Gegensätze sind längst überholt und bei diesen Schauspieler-Konstellationen auch nicht herstellbar. Das hat vor einem Jahrzehnt bei den Folgen „Quartett in Leipzig“ (2000) und „Rückspiel“ (2002) noch funktioniert, als man die Kölner Schenk und Ballauf mit dem damaligen MDR-Duo Ehrlicher und Kain ermitteln ließ. Da trafen Wessies auf kantige Ost-Figuren. Das Manko damals: zwischen den Filmen lagen zwei Jahre und die Fälle waren nicht miteinander verbunden.

Bleibt zu hoffen, dass das Duo Jürgen Werner (Buch) und Thomas Jauch (Regie) bei seinem nächsten gemeinsamen Projekt origineller agiert, denn beide basteln derzeit an den ersten beiden Fällen für den neuen WDR-„Tatort“ aus Dortmund.

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Reihe

MDR

Mit Simone Thomalla, Martin Wuttke, Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär, Lotte Flack, Margarita Broich, Hendrik Duryn

Kamera: Clemens Messow

Schnitt: Anke Berthold

Musik: Karim Sebastian Elias

Produktionsfirma: Saxonia Media

Drehbuch: Jürgen Werner

Regie: Thomas Jauch

Quote: 7,68 Mio. Zuschauer (22,9% MA)

EA: 08.04.2012 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

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