Im Vergleich zu anderen ARD-Anstalten hatte der Sender Freies Berlin einen deutlich niedrigeren Etat und konnte daher in den ersten zehn „Tatort“-Jahren nur sieben Produktionen beisteuern. Markenzeichen der SFB-Krimis waren daher nicht die Ermittler, sondern die Stoffe und die Machart. Viele Filme erzählten typische Berlin-Geschichten, in denen der Kommissar oft nur eine Randfigur war. Volker Brandt, als deutsche Stimme von Michael Douglas bei vielen Zuschauern vermutlich vor allem akustisch präsent, durfte als Kommissar Walther 1981 zwar gleich zwei Fälle lösen, aber Hauptdarsteller war auch er nicht; In „Katz und Mäuse“, seinem zweiten Fall, taucht er erst ab Minute 40 auf. Bis dahin gehört der Film Peter Seum und Susanne Uhlen. Die beiden spielen ein Pärchen, Arne und Sophie, das einen raffinierten Plan ausgeheckt hat. Allerdings dauert es eine Weile, bis das Autorenduo Joachim Nottke und Karl Heinz Knuth die Katze aus dem Sack lässt; auch dies typisch für die SFB-Krimis. Sophie arbeitet für die Maklerin Heike Witkamp (Astrid Jacob), deren Interesse an der aparten jungen Mitarbeiterin deutlich übers Geschäftsverhältnis hinausgeht. Das will Arne ausnutzen: Das Pärchen fingiert eine Entführung, Heike soll 350.000 Mark Lösegeld zahlen. Der Plan scheint perfekt; bis zur Übergabe des Geldes soll sich Sophie in einem der leer stehenden Häuser Heikes verstecken. Doch gibt es etwas, was sich nicht vorhersehen ließ.
Wie viele andere Krimis aus Berlin nimmt auch „Katz und Mäuse“ einen langen Anlauf; im ersten Drittel scheint sich die Kamera (Gérard Vandenberg) vor allem am Liebreiz von Susanne Uhlen zu erfreuen. Regie führte Eberhard Itzenplitz, der sich durch die Fernsehfilme „Bambule“ (1970, nach einem Drehbuch von Ulrike Meinhof) und die Werther-Variation „Die neuen Leiden des jungen W.“ (1976) großen Respekt erworben hatte. Uhlen wiederum hatte schon als Kind viel Filmerfahrung gesammelt und sich spätestens durch ihre Rolle an der Seite von Maurice Ronet in dem Trinkerfilm „Bis zur bitteren Neige“ (1975, nach Johannes Mario Simmel) als ernstzunehmende Schauspielerin etabliert. Dass Itzenplitz ihr in der ersten Hälfte von „Katz und Mäuse“ soviel Präsenz gewährt, könnte auch damit zu tun haben, dass sie in der zweiten nicht mehr mitwirkt. Geschickt lässt der Film jedoch offen, was mit ihr passiert ist: Heike, die stets eine Pistole in ihrer Tasche mit sich führt, bekommt eine Stromabrechnung für ein eigentlich leerstehendes Haus, will dort nach dem Rechten sehen und trifft auf die vermeintlich entführte Sophie. Die Kamera verharrt derweil auf der Treppe, die Handlung – ein Gespräch, ein Handgemenge, ein Schuss – findet auf der Tonspur statt.
Foto: SFB
Damit wäre die Geschichte eigentlich zu Ende, doch nun nimmt sie eine verblüffende Wendung: Heike spielt das Spiel weiter mit und besorgt das Lösegeld. Die Übergabe des Geldes ist die längste Szene des Films, und auch das war ein Markenzeichen der Krimis aus Berlin, die entscheidende Ereignisse gern in Echtzeit zeigten: Heike hat die Tasche mit dem Geld auf einer Baustelle unter einem Container deponieren müssen. Dort befindet sich ein Gulli. In sicherer Entfernung klettert Arne in die Kanalisation und holt sich unter den Augen der auf der Lauer liegenden Polizisten die Tasche. Walther und sein Assistent Hassert (Ulrich Faulhaber) lassen sich von einem Kranfahrer ablenken, der den Container hochhebt und eine Überraschung offenbart. Derweil ist Arne längst über alle Berge, nicht ahnend, dass sich Heike einen nicht minder raffinierten Racheplan ausgedacht hat. Auch sie stolpert jedoch über eine Kleinigkeit, und jetzt wird deutlich, warum Itzenplitz schon die ganze Zeit dafür gesorgt hat, dass ihre Armreifen so aufdringlich klimpern.
Ansonsten ist die Tonspur abgesehen von Dialogen und Geräuschen sparsam: Es erklingen einige Songs, die zur Handlung gehören, weil Arne oder Sophie Kassetten abspielen, aber auf eigens komponierte Filmmusik hat Itzenplitz komplett verzichtet; mit Mike Oldfields „Tubular Bells“ setzt er nur ein einziges Mal Musik ein. Dafür lässt sich im Abspann der Name Sten Nadolny entdecken: Der später vielfach ausgezeichnete Schriftsteller („Die Entdeckung der Langsamkeit“) hatte nach sich nach seinem Lehramtsstudium dem Filmgeschäft zugewendet. Er wollte Regisseur werden und verdingte sich zunächst als Aufnahmeleiter bei verschiedenen Produktionen, darunter auch den in Berlin gedrehten Szenen des James-Bond-Films „Octopussy“. Aus der Regiekarriere wurde nichts, stattdessen bekam er ein Stipendium für ein Drehbuch, das er schließlich zu seinem ersten Roman („Netzkarte“) verarbeitete.