Hätte Kommissar Leitmayr einen Banküberfall mit Geiselnahme verhindern können? Jedenfalls muss er sich schwere Vorwürfe gefallen lassen, nachdem ihm ein Mordverdächtiger durchs Unterholz entwischt ist, der sich danach offenbar noch als Bankräuber versucht und dabei einen SEK-Mann niederschießt. Auch für den vermeintlichen Täter hat sich die Lage verschärft. Bei Geiselnahme gelten andere Gesetze. Der finale Rettungsschuss wird freigegeben. Und ein Dutzend ausgebildeter Scharfschützen hat den Mann im Visier …
Der 548. “Tatort”, ein Film aus München, legt neben dieser Ausrichtung auf Moral und Gewissensfragen eines Polizisten größten Wert auf Spannung. “Im Visier” erzählt drei Geschichten parallel: die vom ermordeten Bauunternehmer und den Machenschaften seiner Firma, die von einem Geschwisterpärchen, das dummerweise eine Pistole findet und die von einem Landwirt, der von der Baufirma des Ermordeten ruiniert wurde. Geschickt fädelt Sabine Bühring bei ihrem Drehbuch-Debüt diesen Fall voller Missverständnisse und tragischer Zufälle ein. Und ebenso geschickt setzt Regisseur Peter Fratzscher auf Tempo und Empathie, so dass wenig Zeit bleibt, um lang über die recht konstruierte Schicksalsstory nachzudenken.
Es ist einfach viel drin’ in diesem 36. “Tatort” von Batic und Leitmayr: der übliche Mord, ein minutiös geschilderter Banküberfall, ein SEK-Einsatz, die Flucht eines Tatverdächtigen und am Ende lässt sich sogar der gewissensgeplagte Leitmayr zur Geisel machen. “Im Visier” ist der klassische “Tatort” für den Gebrauch. Kein Preis-Anwärter, einfach nur gute Krimi-Unterhaltung mit einem sympathischen und couragierten, aber nie zu sehr menschelnden Ermittlerduo und zwei tragischen Figuren, die den Zuschauer emotional an den Film binden. Menzinger verabschiedet sich zwar früh, aber dafür begegnet Leitmayr einem alten Bekannten aus der Ausbildungszeit, der jetzt eine SEK-Einheit leitet. Neben seinem Gewissen nagen an dem Münchner Hauptkommissar also noch andere, existenziellere Fragen. Bei so viel innerer und äußerer Bewegung brauchte dieser “Tatort” keine großen Namen. Carin C. Tietze ist noch die bekannteste Darstellerin – und sie, die ihr Doppelspiel zu plakativ anlegt, ist der einzige Schwachpunkt in einem “Tatort”, der die Genre-Bezeichnung Krimi ernst nimmt.