Ein Fall, der den beiden Saarbrücker Kommissaren sichtlich an die Nieren ging, ist abgeschlossen. Kappl tippt das Protokoll einer Tragödie. In einer Rückblende wird der SR-„Tatort: Hilflos“ erzählt… In einem still gelegten Parkhaus wird die Leiche eines Schülers gefunden. Genickbruch – kein Selbstmord! Die Leiche muss schon zwei Tage dort gelegen haben. Der einzige Vertraute des ungeliebten Schülers war am Tag des Todes bei der Polizei, weil er befürchtete, dass seinem Freund etwas zugestoßen sein könnte. Auf diesen Tobias fokussieren sich zunächst die Ermittlungen. Der junge Mann ist verhaltensauffällig, ein Außenseiter, mit dem keiner in der Klasse außer dem Toten etwas zu tun haben wollte.
Weder die erste Vernehmung noch die späteren Verhöre in der U-Haft bringen die Kommissare weiter. Tobias bleibt unzugänglich, schweigsam, cool – bis Kappl, der den bösen Cop gibt, ihn mit bitteren Wahrheiten seiner qualvollen Existenz aus der Reserve lockt. Tobias ist jahrelang von seinen Mitschülern psychisch und physisch gedemütigt worden. Auch der Tote bekam zuletzt immer mehr „Klassenkeile“ ab.
Foto: SR / Manuela Meyer
Dieser vierte „Tatort“ des neuen Saarbrücker Teams ist der bislang beste. Die bisherigen Fälle und Filme fielen durch ihre Vordergründigkeiten und ein beliebiges Ideen-Kleinklein auf. Da kam der ehrgeizige Profiler und Jungspund aus Bayern, der Tuba spielt und der an Familie und Heimat hängt, nach Saarbrücken und bekam es mit einem älteren Kollegen zu tun, der sich hier als Lokalmatador aufführte. Die Typen wurden in Buddy-Manier ausgespielt, wie man es schon vor Jahren im „Tatort“ Köln und Berlin gesehen hatte. Eine Folge spielte zum Großteil unter Tage, doch man machte nichts draus. Die Fälle mittelprächtig, die Dramaturgie klischeebeladen. In „Hilflos“ werden die beiden Kommissare zurückgeworfen auf ihre Intuition, ihre Gefühle, ihre Menschlichkeit. Mit Methoden von der Polizeischule läuft hier nichts. Es geht um die Jugendlichen und ihre brutalen Rituale, nicht um die kleinen Zankereien der großen Jungs bei der Polizei. Es geht ans Eingemachte. Da müssen auch Kappl und Deininger sich öffnen, Farbe bekennen und zeigen, wo sie stehen.
„Hilflos“ ist erzählt als konzentrierter Gesprächsfilm mit gar nicht mal so vielen Worten. Die Kids scheinen fast ohne auszukommen. Sergej Moya muss dieses Geduldsspiel, bei dem man nie weiß, was dahinter steckt, Coolness oder Angst, minutenlang durchhalten: eine tolle Leistung! Neben dem Schweigen gehören noch Schläge und Tränen zum Vokabular der Jugendlichen. Die Regie hält sich zurück: Der Erzählrhythmus ist ruhig, die Tonlage sachlich wie ein Polizei-Protokoll, die Ästhetik karg, die Bilder kühl. Psychologische oder soziologische Erklärungen werden nicht gegeben. Man registriert: unwissende Lehrer, ahnungslose Eltern, eiskalte Welt da draußen. Als Zuschauer sucht man immer wieder in den Gesichtern nach Antworten auf Fragen, die die Protagonisten selber auch nicht geben können. Fazit: hilflose Teenager, ratlose Kommissare, guter Krimi. (Text-Stand: 24.1.2010)