Die Altenpflegerin Anna Kowski liegt tot in ihrer Waschküche. Kurz vor ihrem Tod hatte sie noch einen Termin bei Familie Holst. Hier versorgte sie den demenzkranken Großvater. Auf dem AB der Toten sind sowohl Nachrichten von Holst junior als auch von ihrem Chef. Beide klingen übermäßig erregt. Höchst verdächtig benimmt sich auch der Freund der Toten – von Beruf Bestatter. Doch ein Mordmotiv können Saalfeld und Keppler nicht ausmachen. Für Vater, Mutter und Tochter Svenja Holst war Anna Kowski ein Segen, denn sie war die Einzige, die es mit dem Großvater konnte. Breuker, der Chef des Pflegedienstes, ist zwar ein höchst unangenehmer Zeitgenosse, der mit einer Senioren-Wellness-Oase groß rauskommen möchte, aber auch er brauchte Anna, sie war seine beste und billigste Arbeitskraft. Und der Freund – der liebt(e) seine Anna so sehr, dass er die Leiche aus der Gerichtsmedizin klaut und sie feierlich in seinem Bestattungsinstitut aufbahrt.
Foto: MDR / Steffen Junghans
Ein Kontrollfreak, der sich selbst nicht unter Kontrolle hat, ein schwarzes Schaf der Wachstumsbranche Pflegedienst, einer, der auch vor den Konten seiner Schutzbefohlenen nicht Halt macht, und eine Familie, die über den geistigen Verfall des Großvaters und über steigenden Kosten für die Betreuung auseinander zu brechen droht – in diesem überschaubaren Spektrum ermitteln die Leipziger „Tatort“-Kommissare in ihrem achten Fall. Diese Konzentration tut dem Film gut. Die Mischung aus Krimi und Drama mit gelegentlichen Adrenalinschüben für die Helden (Saalfeld wird in die Pathologie eingeschlossen, Keppler bekommt ein Messer an den Hals) ist unterhaltungstechnisch durchaus gelungen. Nur die Kommissare nehmen sich nach wie vor etwas zu wichtig im Verhältnis dafür, was für läppische Privatangelegenheiten die Autorin ihnen ins Buch geschrieben hat. Umso gelungener Kepplers uneigennütziger Einsatz als Altenpfleger. Auf einmal steht er in der Geratrie und muss Karl Holst, der alles vergessen hat und sich verfolgt fühlt, durch die Nacht begleiten. Überhaupt, es ist viel Nacht in diesem Film über ein dunkles Kapitel des Krankenwesens.
Entsprechend düster, in gedeckten Farben hat Johannes Grieser diesen „Tatort“ inszeniert. Der registrierende, abschätzende Blick der Kommissare bestimmt die Tonlage. Und doch lässt einen die Geschichte nicht kalt. Wie auch?! Bei diesen Schauspielern: Johanna Gastdorf leise und nuanciert wie gewohnt, Karl Kranzkowski, ebenfalls einer dieser großartigen Schauspieler-Wasserträger, Dirk Borchardt, den man immer wieder gern als Kotzbrocken sieht, Joachim Tomaschewsky, dessen viel gesichtiger Demenzkranker einem eine Vorstellung von dieser paradoxen Krankheit gibt, und Nina Gummich („Die Wölfe“), die deutlich macht, dass sie zu den großen Talenten hierzulande gehört. (Text-Stand: 6.6.2010)