Josef Micklitza (Stefan Rudolf) hat viel Geld gemacht und es in falsche Hände gegeben. Als er zu einem Treffen mit seinem Vermögensberater im Dortmunder Hafen eintrifft, findet er den Mann tot in dessen Wagen. Kurz darauf sitzt der verängstigte Top-Manager im Dortmunder Polizeipräsidium und gibt den schrecklichen Fund zu Protokoll. Keiner nimmt ihm das vom Regen durchweichte Sakko ab. Fabers Mitleid hält sich in Grenzen. Die Ermittlungen führen in Bankvorstände und zu einer Investmentagentur. Und an der Seite von Micklitzas Bruder Micki (gewohnt wuchtig: Sascha Gersak) in den Dortmunder Drogen- und Partysumpf. Souverän bewegen sich die Ermittler durch die unterschiedlichen Milieus. Bönisch fragt eine drogenabhängige junge Frau, ob sie Hilfe braucht, dann geht es weiter im Programm. Keine Sentimentalitäten. Faber, der endgültig zu innerer Ruhe gefunden hat, quittiert die verquast-esoterische Philosophie von Bankenchef Mehring (André Jung) mit einem kurzen Haha. Manchmal braucht es nicht mal ein Wort, um Fabers Einstellung zum großen Geld zu unterstreichen. Da legt der Kommissar, der seine Jacke nie auszieht, die Hand auf den Meditationsstein des Bankers und bekundet seiner Kollegin mit einem kurzen Wink, dass die Geistheilung bei ihm offensichtlich nicht anschlägt. Schöne Szene. Während Faber, Bönisch und Herzog den Vertretern der Macht mit gesunder Distanz und amüsiertem Erstaunen begegnen, nimmt eine unvorhersehbare Begegnung Kollege Pawlak (Rick Okon) die Luft.
Bei der ersten Befragung von Club-Besitzer Micki erkennt Jan Pawlak im Hintergrund der Diskothek seine seit einem Jahr abgetauchte Frau. Ab Minute 25 trennen sich nun die offiziellen Ermittlungswege des Dortmunder Teams von Pawlaks privaten Nachforschungen. Ein eigener Klaviersound, Slowmotion-Aufnahmen und die Konzentration der Kamera auf Pawlaks Gesicht unterstreichen sein Ausscheren. Der Wunsch, seine labile Ehefrau Ella (überzeugend: Anke Retzlaff) zurückzugewinnen, legt sich wie ein dunkler Schatten über die Ermittlungen. Die Parallelgeschichte um Pawlaks Not wirkt dramaturgisch erstmal etwas hergeholt, gewinnt aber durch die Konsequenzen auf das Gefüge im Ermittlerteam. Wie es sich für die Bönisch und Faber gehört, die schnell dahinterkommen, was mit Pawlak los ist, haben beide unterschiedliche Vorstellungen über den Nutzen dieses Umstands. Es gehört zu den Stärken der neueren Fälle, dass sich die beiden Kommissare über solche Meinungs-Verschiedenheiten nicht mehr die Köpfe einschlagen. Sie streiten, akzeptieren den Eigensinn des Gegenübers und behalten das Ziel der Ermittlungen im Blick. Alle anderen Zickereien finden auf Nebenschauplätzen statt; beispielsweise Bönischs rigoroses Nein zu den Avancen und vermeintlichen Rechten von Spusi-Mitarbeiter Haller (Tilmann Strauß).
Wieder mal bewegt sich das Dortmunder Quartett also nicht in trauter Eintracht auf das Finale zu. Einer schert aus, zwei lassen ihn beschatten, die vierte setzt ihn davon in Kenntnis. Trotzdem verliert keiner das Ziel aus den Augen. Die Autoren Martin Eigler (auch Regie) und Sönke Lars Neuwöhner, die 2017 auch die Vorlage für den 10. Dortmund-Fall „Tatort -Sturm“ lieferten, haben das Mit- und Gegeneinander fein austariert. Dabei wirkt die Arbeit der Kommissare immer fokussiert und dringlicher als alles Drumherum. „Gier und Angst“ regieren nur in der Welt jenseits des Kommissariats. Nur dort draußen befällt Anleger wie Josef Micklitza oder Max von Alfeld (Matthias Bundschuh) eine Panik, die sie am Ende wie angeschossene Hasen übers offene Feld rennen lässt. Bevor die Kamera (Benjamin Dernbecher) für die stimmige Schluss-Sequenz nach draußen geht, durchwandert sie noch einen anderen pittoresken Schauplatz. Micki, der Pawlak mit geschickten Manipulationen mehr und mehr zum Mitwisser seiner illegalen Geschäfte macht, führt ihn in ein leerstehendes Schwimmbad. Der einstige Austragungsort illegaler Techno-Partys verheißt für Jan Pawlak nichts Gutes. Das verraten schon die stumpfen Paukenschläge, die seinen Gang durch das verlassene Gebäude akustisch begleiten. Nach 75 Minuten unter grauem Dortmunder Himmel oder vor den braun-getäfelten Wänden des Kommissariats feiert die letzte Viertelstunde einen kleinen Rausch der Farben, Unschärfen, schiefen Perspektiven und heroinbedingten Hallus.
Fazit: „Tatort – Gier und Angst“ ist kein atemloser Spannungsritt. Dafür ein überzeugender Gang über vermintes Gelände, auf dem sich Täter und Opfer tummeln. Vereint in ihrer Angst vorm Absturz, jagen sie ihren Träumen nach und betäuben ihre Zweifel. Einer wie Kommissar Faber hat schon Recht: In dieser Welt sollte man den alten Parka immer anbehalten.