Tatort – Gefährliche Träume

Dagmar Claus, Hans Peter Korff, Günter Gräwert. Jugendporträt mit Zeitkolorit

Foto: RBB
Foto Tilmann P. Gangloff

Wie seinen anderen Berliner Kollegen war auch Hans Peter Korff im ersten „Tatort“-Jahrzehnt nur eine kurze Ära als Kommissar vergönnt: „Gefährliche Träume“ war sein zweiter & letzter Fall. Der Film erzählt von einer Schülerin, die in einen Drogensumpf gerät und vermeintlich zur Mörderin wird; über weite Strecken ist die Geschichte jedoch eher Vater/Tochter-Drama als Krimi. Regisseur Georg Gräwert verliert sich wie bei seinen anderen SFB-Produktionen mitunter allzu sehr in den Details, aber als Zeitdokument ist der Film sehenswert; auch wegen Hauptdarstellerin Dagmar Claus, für die der Film trotzdem kein Karriereschub war.

Vermutlich lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen, warum der Sender Freies Berlin im ersten „Tatort“-Jahrzehnt einen derartigen Verschleiß an Kommissaren hatte; Hans Peter Korff war 1978 im erst sechsten Beitrag des SFB zur Sonntagskrimireihe bereits der dritte Darsteller, und auch Kommissar Behnke musste bereits nach dem zweiten Fall wieder seinen Hut nehmen. Dabei haben Günter Gräwert (auch Regie) und Georg Alten, die Autoren der beiden Behnke-Filme, dem anfangs noch recht blassen Ermittler in „Gefährliche Träume“ interessante Konturen gegeben: Mit seiner Nickelbrille und den für einen Beamten etwas zu langen Haaren wirkt der Polizist, der seine Zigaretten selbst dreht, wie ein 68er, der beim Marsch durch die Institutionen in der Mordkommission gelandet ist. Auch das Zusammenspiel mit dem stets gutgelaunten Assistenten Hassert (Ulrich Faulhaber) funktioniert richtig gut.

Gemäß der SFB-Tradition sind die beiden trotzdem nur Nebenfiguren in dieser Geschichte, mit der der Sender nicht nur die Berlin-Klischees, sondern auch die Sorgen vieler Eltern bedient hat: Schülerin Carola (Dagmar Claus) ist tagsüber eine brave Tochter, aber das ändert sich, wenn sie ausgeht; dann wird aus dem unscheinbaren Mädchen dank Make-up und Frisur eine attraktive junge Frau, die die Nächte in der Disco durchtanzt. Über ihren neuen Freund Wolfgang (Michael Tregor) kommt sie zum ersten Mal mit Drogen in Kontakt. Wolfgang wird vom Dealer Zoske (Vladimir Weigl) mit Heroin versorgt und stirbt eines Abends offenbar an einer Überdosis. Als Carola den Dealer zur Rede stellen will, kommt es zum Streit; sie schlägt den Mann mit einer Flasche nieder und lässt ihn scheinbar leblos zurück. Ihr Vater Erich (Peter Schiff) lässt die Leiche verschwinden, wird dabei aber von Junkie Schanitz (Bernd Herberger) beobachtet, der die beiden nun erpresst.

Über weite Strecken ist „Gefährliche Träume“ ein Jugendporträt mit viel Musik, das die schlimmsten Befürchtungen vieler Eltern bestätigt; als der Film ausgestrahlt wurde, war das im Jahr zuvor erschienene Sachbuch „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ noch sehr präsent. Das bunte Schillern des Wortes „Träume“ im Titel ist daher als Warnsignal gemeint: Diskotheken sind ein Drogensumpf. Sind Töchter aus gutem Haus dort erstmal hineingeraten, gibt es kein Zurück mehr; am Ende werden sie auf dem Strich landen. Im Verlauf des Films wird ein Kommissar aus dem Rauschgiftdezernat den für Themenkrimis dieser Art unvermeidlichen Kurzvortrag mit entsprechenden Statistiken vortragen. Tatsächlich belügt Carola ihren Vater nach Strich & Faden und beklaut ihn schließlich noch, um den Erpresser bezahlen zu können. Ungewöhnlich für damalige Verhältnisse ist der familiäre Hintergrund: Erich, von Peter Schiff sehr glaubwürdig als ebenso ehrlich bemühter wie überforderter Vater verkörpert, ist nach der Scheidung alleinerziehend; Carolas Ausreißversuche beantwortet er mit Ohrfeigen. Dagmar Claus wiederum spielt die Tochter derart überzeugend, dass der Hauptrolle eigentlich noch viele weitere hätten folgen müssen, aber ihre Spur verliert sich nach diesem „Tatort“.

Tatort – Gefährliche TräumeFoto: RBB
Hans Peter Korff war 1978 im erst sechsten Beitrag des SFB zur Sonntagskrimireihe bereits der dritte Darsteller – für 2 Fälle! Die Hartmanns (Peter Schiff, Dagmar Claus)

Abgesehen von den guten Leistungen auch der weiteren Darsteller ist „Gefährliche Träume“ vor allem als Zeitdokument sehenswert. Die mit viel Elektropop unterlegten Szenen mit Carola, die ein anderes Leben führen will als ihre Eltern, sind ein authentisches Zeugnis der Stimmung unter den Jugendlichen jener Jahre. Gleiches gilt für die Reaktion des Vaters: Erich versteht die Jugend nicht, den Kindern gehe es doch gut. Gräwerts Inszenierung hingegen vermittelt wie schon bei „Sterne für den Orient“, Behnkes erstem Fall, bei weitem nicht genug innere Spannung, und verliert sich in Details. Die Beseitigung der Dealerleiche zum Beispiel erzählt er viel zu umständlich; heutzutage hätte ein Editor kein Problem, den 100-Minüter aufs übliche „Tatort“-Maß zurechtzustutzen. Trotzdem hat der Krimi mehr Zug als Behnkes Debüt, weil Carolas Schicksal die Empathie deutlich stärker anregt als die vergleichbaren Erlebnisse des Studenten, der in „Sterne für den Orient“ zum Autoschieber wird.

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Reihe

rbb

Mit Dagmar Claus, Hans Peter Korff, Ulrich Faulhaber, Vladimir Weigl, Michael Tregor, Eckhardt Heise, Bernd Herberger, Klaus Herm, Klaus Sonnenschein, Götz Olaf Rausch

Kamera: Henning Zick

Szenenbild: Gerd Staub

Schnitt: Marion Richter

Musik: Klaus Doldinger

Soundtrack: Blondie („Heart of Glass“), Amanda Lear („Queen of Chinatown“), Dalida („Paroles, Paroles“)

Produktionsfirma: SFB

Drehbuch: Günter Gräwert, Georg Alten

Regie: Günter Gräwert

EA: 23.09.1979 20:15 Uhr | ARD

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