Es fließt viel Blut im neuen „Tatort“ aus Bremen. Auch viele Tränen werden geweint um eine Tochter, die sich dem Sippenzwang und der Verlogenheit ihres türkischen Clans nicht länger unterwerfen will und deshalb schließlich den Tod findet. Die „Familienaufstellung“ zelebriert die gewohnt respektlos burschikose Kommissarin Lürsen mit labberigen Pommes Frites. Nicht nur das könnten konservative Muslime in den falschen Hals kriegen bei dem von Mark Schlichter mit einer intensiven Farblogistik ausgestatteten Krimi, der einen zwar 90 Minuten packt, dem dafür auch fast jedes Mittel recht ist. Das Buch von Anwältin Seyran Ates und Thea Dorn soll zeigen, dass religiöser Dogmatismus nicht nur Sache der ungebildeten Schichten ist, sondern dass er in besseren Kreisen noch perfidere Formen annehmen kann.
Der Bremer „Tatort“ hat immer schon gerne provoziert und öffentliche Debatten losgetreten. Mal hing einer am Fleischerhaken, mal wurden gleich 14 Tote beim Satanistengemetzel gezählt. Fragwürdiger als die reißerischen Effekte ist in „Familienaufstellung“ allerdings eine Dramaturgie, die Wut, Unverständnis und Ohnmachtgefühle des Zuschauers mobilisiert. Auch die Tradition des offenen Endes führt der „Tatort“ fort. Man glaubt zwar, eine tragische Mörderin gefunden zu haben. Aber kann man es wissen? Ist dieser schizophrene Wahnsinn einer 19-jährigen Türkin, die zwangsverheiratet werden soll, obwohl sie keine Jungfrau mehr ist, „nur“ gespielt, um so irgendwann einmal in den Schoß der Familie wieder zurückkehren zu dürfen? Wie auch immer, beides ist Wahnsinn. Gegen dieses „System“ eines islamischen Familienclans versagen sogar die Konventionen des TV-Krimis. (Text-Stand: 8.2.2009)