Wut und Verzweiflung ist in das Gesicht eines Chinesen geschrieben. Mit einer Eisenstange zerschmettert die Frontscheibe eines China-Restaurants. Am nächsten Morgen: schon wieder Chinesen! Aus einem defekten Tiefkühlcontainer mit Hühnerfüßen werden ihre angefrorenen Leichen herausgespült. Für Moritz Eisner und Bibi Fellner geht es unappetitlich weiter. Eine abgeschnittene Hand wird gefunden. Es ist die Hand des randalierenden Chinesen vom Vorabend. Die Polizei macht sich auf die Suche nach weiteren Leichenteilen. Sie werden fündig. Auch was die Mordwaffe angeht: ein Samurai-Schwert – an dessen Griff sich ausgerechnet Bibis Liebster, Inkasso-Heinzi, verewigt hat mit seinen Fingerabdrücken. Auch am Blut durchtränkten Tatort, in der Wohnung des Ermordeten, DNA-Spuren des Wiener Ganoven. Eisner ist entsetzt. Bibi glaubt nicht, dass ihr Freund ein Mörder ist. Auch nicht, als er ihrem Kollegen die Nase anbricht. Jetzt ist Eisner, der grantig mit seinen Pfunden kämpft, noch mehr angefressen – und nimmt sich ausgerechnet den Sektionschef Dr. Oskar Welt zur Brust. Dieser gibt Chinesen Aufenthaltsgenehmigungen, um ihnen überteuerte Wohnungen zu vermieten. Auch Bibi muss Dampf ablassen: beim feixenden Hendlhaxen-Exporteur Müller.
Foto: ORF / RBB / Petro Domenigg
„Ich bin so eine Null – alt, dick und blöd“, jammert Eisner, nachdem er sich von Inkasso-Heinzi dilettantisch hat austricksen lassen. Auch Bibi Fellner leckt ihre Wunden – und nimmt zwischendurch ein Achtel Roten. Zuletzt waren es im Wiener „Tatort“ die Serben, jetzt sind die Chinesen an der Reihe – nicht als Sympathieträger, nicht als Prügelknaben. Am Ende scheint der Fall geklärt, doch etwas schwingt seltsam weiter in diesem vierten Fall vom Wiener Duo Eisner/Fellner, dem Moralisten und der Grenzgängerin. Ist es nur die stille Verzweiflung der Kommissare, die mit sich selbst und ihrem Lebensweg immer weniger im Reinen sind? Ein bisschen blutig, ein bisschen dunkel ist „Falsch verpackt“, dieser „Tatort“, der von Verbrechen erzählt, die ein nicht unrealistischer Reflex sind auf die Gewinn-Maximierung im Lebensmittelbereich. Das Ganze ist psychophysisch und figurenorientiert von Sabine Derflinger („Kleine Schwester“) in Richtung Genre inszeniert. Und wo die Dynamik nicht durch die Story kommt – da muss sie mit rockiger Schweinegitarre auf die Bilder gepeitscht werden. Das hat etwas B-Picture-haftes und ist gewöhnungsbedürftig.
Auch wenn das alles etwas dick aufgetragen ist – so ist dieser neue, rüde Wiener Krimi-Tonfall eine kräftige Nuance in der Farbpalette der „Tatort“-Reihe, die bislang fehlte. Das ist eine Spur amerikanischer erzählt als andere Krimis, das ist näher an den ermittelnden Hauptfiguren, deren Charaktere bereits über vier Folgen stimmig (weiter)entwickelt wurden, das ist gepflastert mit Topoi aus Genrekrimis mit härterer Gangart als der des deutschen Themenkrimis. Ganz rund ist die Geschichte nicht: vor allem der Krimi-Plot, der am Ende von den Ermittlern noch einmal zum Besten gegeben werden muss. Doch dafür sind diese beiden Bullen von der traurigen Gestalt so gut, dass der Fall in den Hintergrund gerät. Der ORF sollte über die eine oder andere Marotte hinaus noch tiefer in die Psyche der Ermittler eindringen. Weshalb kann nicht auch einmal in einem deutschsprachigen Krimi der Kommissar wichtiger sein als das Verbrechen?! Bei über 20 Krimi-Reihen im deutschen Fernsehen sollte das möglich sein. Bei Tukurs Murot und Bella Block ist es gelungen (auch wenn diese Figuren und deren Filme in einer ganz anderen Tradition stehen). Krassnitzers Eisner hat in Verbindung mit Neuhausers Fellner das Potenzial dazu. Wer hätte das vor fünf, sechs Jahren gedacht?!