Ein Heckenschütze scheint wahllos durch Niedersachsen zu morden. Zuletzt hat es einen Bäckereibesitzer erwischt. Lautlos dringen die Kugeln durch das Glas der Wohnzimmerfront und treffen den schutzlosen Körper. Draußen ist es Nacht, drinnen gibt es Szenen einer Ehe, hell ausgeleuchtet, für die Blicke der Nachbarschaft und den Mörder. In dem „Tatort: … es wird Trauer sein und Schmerz“ wird die Öffentlichkeit des Privaten ausgeleuchtet und mit einer klassischen Sniper-Geschichte verbunden. „Es geht um die Verletzlichkeit des Privaten“, sagt Regisseur Friedemann Fromm. „Um die Bedeutung des Schauens und Beobachtens in unserer heutigen Mediengesellschaft, in der ein Unglück erst als real empfunden wird, wenn Bilder davon existieren und herumgeschickt werden“, ergänzt die Autorin Astrid Paprotta.
Charlotte Lindholm setzt einmal mehr auf Alleingang. So kann sie sich den Testosteron geschwängerten Kollegen vom Hals halten. Umso näher kommt ihr dafür ein anderer Ermittler, einer, den diese ewigen Mordfälle in tiefe Verzweiflung stürzen. Jener Kai Bergmann klagt darüber, tagtäglich Dinge sehen zu müssen, die er am liebsten nicht sehen würde. Andere dagegen reißen sich darum, die blutigen Bilder zu sehen: sie gaffen, zücken ihre Handys und nutzen das Internet als Plattform für ihre Sensationslust.
Die kühle Kommissarin aus Hannover ist geschockt darüber und sie zeigt sich dünnhäutiger als gewohnt. Nach einem Schusswechsel sitzt sie in sich versunken da und weint. Fromm wollte die Angegriffenheit seiner sonst so coolen Heldin besonders hervorheben. Diesen Teil der Bürde „Lindholm“ aufzuheben, gelang ihm. Was in diesem dicht und stilsicher erzählten und von Jo Heim streng und klar fotografierten „Tatort“, der klug und sinnlich zugleich das Motiv des Voyeurismus in die Inszenierung einbringt, dagegen wie ein Fremdkörper wirkt, sind die privaten Augenzwinker-Geschichten mit Ingo Naujoks & Co.
Ein Serienkiller ist ein Faszinosum für Krimi-Fans, er enthält ein großes Verunsicherungspotenzial, weil die Tat nicht abgeschlossen ist. Dieser „Tatort“ rückt stärker als andere Krimis auch die Hinterbliebenen in den Blick und zeigt, wie aus Opfern Täter werden. Fazit: ein fast makelloser Meta-Krimi, in dem das Thema ästhetisch Raum greift.