Bleihaltige Luft im Clubheim der „Dark Dogs“. 52 Einschüsse, kein Treffer – eine Warnung? Tags darauf erwischt es dann doch einen der Rocker-Gang auf der Landstraße. Das sieht nicht nach Unfall aus. Stellbrink heftet sich blauäugig an die Fersen der schweren Jungs, Kollegin Marx warnt vor Alleingängen, sie wittert ohnehin einen Bandenkrieg – und Staatsanwältin Dubois pfeift den eigenwilligen Kommissar lautstark zurück. Der tote Rocker interessiert sie wenig; erste Priorität hat eine Operation gegen die Verbreitung einer Killerdroge im Saarland. Diese Aktion der SOKO Paradise, für die ein V-Mann bei den „Dark Dogs“ eingeschleust wurde, droht nun von Stellbrink gestört zu werden. Der findet es dagegen einfach nur zum Kotzen, dass jener V-Mann offenbar seine thailändische Frau schlägt. Eigentlich soll sich der Kommissar von „Mutti“ und seinen Harley-Freaks fernhalten. Eigentlich! Doch er will – im Gegensatz zu Staatsanwältin Dubois – V-Mann Tim nicht „im Dienste des Staates“ opfern.
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Das Gefälle ist geringer geworden im zweiten Striesow-„Tatort“ zwischen seinem Jens Stellbrink und seinen Mitstreiterinnen, Kollegin Lisa Marx, die vor lauter gewollter Lara Croftscher Taffheit kaum eine Miene verzieht, und Staatsanwältin Dubois, die ihre Chefinnen-Penetranz zumindest einen Tick zurückfährt. In „Eine Handvoll Paradies“ nervt nun auch die Hauptfigur immer häufiger. Entbehren noch Sätze wie Stellbrinks Sentenz am Tatort, „Eine Brise Sommerluft und schon strahlt das Gemüt“, oder sein Novalis-Zitat, „Lerne den Zauberstab der Analogie gebrauchen“, nicht einer gewissen Originalität, so bewegt sich die Figur im Handlungsverlauf doch auf einem sehr dünnen Grat zum Klamauk. Noch weniger als den Autoren im Auftakt-„Tatort“ gelingt es Felice Götze, ein nachvollziehbares komisches Konzept zu erstellen mit Bezügen, mit Verweisen, mit Typen, mit einer stimmigen Struktur, wie es beispielsweise beim „Tatort“ Münster oder bei „Wilsberg“ häufig gelingt. Aber auch Kriminalfilm-dramaturgisch und spannungstechnisch ist dieser Film eine mittlere Katastrophe. Lineares Erzählen wächst sich zur chaotischen Nummern-Revue aus und ein Handlungs- & Dialogwirrwarr bestimmt diesen „Tatort“, dem man nach 30 Minuten einfach nicht mehr folgen mag. Und selbst der Striesow-Bonus verbraucht sich zusehends.
Im Film gibt es folgenden Dialog: „Das ist ein Witz.“, sagt Oberrocker „Mutti“. Darauf Stellbrink: „Aber ich versteh’ ihn gar nicht.“ Wahre Worte. Als Zuschauer geht es einem ähnlich mit diesem Dilettanten-Krimi und Karikaturen-Kabinett. Vielleicht hätte der Saarländische Rundfunk zu diesem „Tatort“ eine Gebrauchsanweisung mitliefern sollen. Nichts gegen dieses leicht autistische Ermittler-Verhalten, nichts gegen schräge Krimis und schon gar nichts gegen Devid Striesow – aber dieser „Tatort“ auf dramaturgischem Klippschul-Niveau mit seinen offenbar für cool gehaltenen Kontrasten (Moped-Bulle vs. Motorradrocker) und dem gelegentlichem RTL-liken Realismusverständnis ist schwer zu ertragen. Was nutzt es da schon, Hannu Salonens solider Inszenierung und Wolf Siegelmanns eindrucksvoller Bildgestaltung („diese dramatische Wolkenbildung“) gewahr zu werden?!