Ein Rentner ist ein Tag nach dem Besuch bei seinem Hausarzt verstorben. Nicht seine chronische Darmentzündung ist die Ursache, sondern eine falsche Medikation. War es also ein Ärztefehler? Haben sich der mit dem Patienten befreundete Dr. Schmuckler und seine Vertretung nicht abgesprochen oder war die Akte falsch geführt? Die Hämatome am Körper des Toten könnten aber auch auf häusliche Gewalt hinweisen. Vielleicht war der Tochter der Umgang mit dem pflegebedürftigen Vater zu viel? Als wenige Tage später die vertretende Ärztin erschlagen wird, verdichten sich die Anzeichen, dass es in der Praxis bei den Abrechnungen zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Musste die Ärztin deshalb sterben?
„Edel sei der Mensch und gesund“ beginnt ungewöhnlich für einen „Tatort“. In einer achtminütigen Eingangssequenz folgt man dem unheilbar kranken alten Mann in seinem beschwerlichen Alltag. Rein ins Hemd, rein in die U-Bahn, rein in die Arztpraxis. Eine kleine Meinungsverschiedenheit mit der Tochter – und dann liegt er bereits in der Pathologie auf dem Tisch. Die Kommissare müssen einmal nicht warten „bis die genauen Ergebnisse vorliegen“, der Gerichtsmediziner war es, der Ritter und Stark verständigt hat. Die Obduktionsergebnisse bekommen die Kommissare in Form fachchinesischer Statements von einer Gruppe Medizinstudenten präsentiert. Eine gelungene Variante eines 1000fach gesehenen Rituals. Das sorgt für Erheiterung in einem ansonsten ziemlich traurig-tristen Krimi-Drama.
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Am Drehbuch von Dinah Marte Golch („Tatort – Nie wieder frei sein“) gefällt darüber hinaus die Geschlossenheit der Schauplätze. Viele zentrale Szenen spielen in der Praxis, auf der Straße davor und im gegenüberliegenden Haus, in dem eine Patientin wohnt. Der Blickkontakt erzeugt eine Nähe, die für die Geschichte nicht unerheblich ist. Dr. Schmuckler senior ist noch ein Arzt alter Schule, einer, der sich den hippokratischen Eid nicht von der Bürokratie des Krankenwesens abnehmen lässt. Der Film ist als Kammerspiel angelegt, mit guten Schauspielern, deren Spiel allerdings ein wenig spröde wirkt. Oft allzu bedeutungsschwer die Blicke der Protagonisten, die etwas zu lange wie Statuen an den Fenstern stehen. Christina Große und Kirsten Block bekommen ihre vom Leid erdrückten Figuren noch am besten in den Griff. Es regen sich Zweifel, ob der Bild-Regisseur Florian Froschmayer (visuell stark: „Tatort – Borowski und die heile Welt“) für dieses schwergewichtige Schauspieler-Drama der Richtige ist. Dieser Krimi wird nicht von der Handlung angetrieben, es dominiert eindeutig das Spiel in der Szene, das anfangs mit sinnlosem Suspense-Suggestiv-Sound gefüllt wird.
Der RBB versteht seinen Film als kritischen Beitrag zur Zwei-Klassen-Medizin in Deutschland. „Der Film ist eine Warnung: Sollten wir es nicht schaffen, unser Gesundheitswesen gerecht zu machen, wird es Opfer im Verteilungskampf geben“, glaubt Dominic Raacke. Als Themenfilm, der diskussionsträchtig zuspitzt, ist dieser „Tatort“ überzeugend, als Krimi weniger. In dem Dilemma, ob man eine Haltung hat oder sich lieber hinter der Bürokratie versteckt (eine Frage, die sich auch die Kommissare stellen müssen), und den entsprechenden Betroffenheitsmienen, geht so gut wie jedes Interesse am Fall verloren. Für die Moll-Tonlage des Films ist wieder ein bisschen viel Gewitzel im Spiel zwischen Ritter und Stark – und dass letzterer auch noch den hypochondrischen Paranoiker geben muss, ist des Guten viel zu viel.