„Direkt ins Herz“: ein überaus treffender Titel für diesen „Tatort“ aus Köln, denn man darf ihn durchaus doppeldeutig verstehen – und beide Varianten sind tödlich. Der neue Fall des Duos Ballauf/Schenk beginnt mit zwei scheinbar sinnlosen Morden: Aus großer Entfernung werden zwei Geschäftsmänner mit Schüssen aus dem Präzisionsgewehr K 50 (Kaliber 50) getötet. Einen Zusammenhang zwischen den beiden Morden scheint es nicht zu geben, doch der Täterkreis ist übersichtlich: Es gibt nicht viele Menschen, die in der Lage sind, einen bis zu einem Kilometer entfernten Apfel zu treffen; die Spur führt zum Staatsschutz.
Auch Max Ballauf wird in’s Herz getroffen: Franka (Anja Kling), die schöne Witwe des ersten Opfers, hat es ihm auf Anhieb angetan. Ballauf kann nicht anders, er muss lustvoll gegen die Spielregel verstoßen, nie etwas mit einer Zeugin anzufangen. Derweil löst Kollege Schenk den Fall auf eigene Faust, doch die Antworten führen nur zu neuen Fragen: Vor Jahren wurden Verbrecher zu V-Männern ausgebildet, Schusstraining inklusive. Die meisten von ihnen sitzen wieder, für einen Überfall, den sie bis heute leugnen. Plötzlich wird Ballauf und Schenk der Zusammenhang zwischen den Morden klar; mit Hilfe von Ballaufs pensioniertem einstigen Chef (Martin Lüttge) müssen sie einen Fall wieder aufrollen, der längst abgeschlossen schien.
„Direkt ins Herz“, geschrieben und inszeniert von Wolfgang Panzer, dürfte einer der besten Kölner „Tatort“-Beiträge der letzten Jahre sein. Schon allein der Fall ist so komplex, wie man sich das für einen Krimi nur wünschen kann. Panzers Idee, Ballauf auch noch emotional in die Sache zu verwickeln, gibt dem Film mehr als bloß zusätzliche Brisanz: Spätestens Schenks Ermittlungsergebnisse werfen die Frage auf, ob die Witwe nicht bloß ein gerrissenes Spiel mit Ballauf spielt. Anders als beispielsweise zuletzt Markus Fischer setzt Panzer stärker auf die beiden Kommissare. Kein Wunder: Nicht erst seit Panzers wunderschönem Kinofilm „Broken Silence“ ist bekannt, wie gut der Schweizer mit Schauspielern arbeiten kann
Foto: WDR / Guido Engels
Endlich dürfen sich Ballauf und Schenk wieder anrüffeln, endlich dürfen sie vor allem wieder zeigen, dass sie wesentlich mehr können als bloß die üblichen Polizeiplattitüden aufzusagen. Grundlage dieses überdurchschnittlichen guten „Tatorts“ ist Panzers Drehbuch, in dem es ihm vorzüglich gelingt, drei Erzählebenen – die Morde, der frühere Fall und die Affäre – miteinander zu verschachteln. Nur die Szenenwechsel, gern durch ein Telefonat eingeleitet, sind mitunter zu einfallslos. Aufgesetzt wirkt auch ein Nebenstrang, mit dem Sekretärin Lissy der „Tatort“-Ausstieg ermöglicht wird: Sie hat eine CD aufgenommen und wechselt das Metier. Tatsächlich hat sich Anna Loos als Sängerin der einstigen DDR-Band Silly ein ernstzunehmendes zweites Standbein geschaffen. (Text-Stand: 6.8.2000)