Tatort – Die letzte Wiesn

Wachtveitl, Nemec, Mavie Hörbiger, Marvin Kren. Oktoberfest auf Ecstasy

Foto: BR / Bernd Schuller
Foto Rainer Tittelbach

GHB-Vergiftungen auf der Wiesn. Will sich da einer rächen an einer Wirtin, die einen rigiden Kurs fährt bei den Angestellten? Oder begeht da einer stellvertretend Aggressionsdelikte? „Die letzte Wiesn“ wird erwartungsgemäß belebt von seinem dokumentarischen Touch. Der „Tatort“ von Marvin Kren nach dem Buch von Stefan Holtz und Florian Iwersen entstand während des Oktoberfests an Originalschauplätzen. Ein routiniert geplotteter, unterhaltsamer, abwechslungsreicher, aber wenig anspruchsvoller Krimi mit Hingucker Mavie Hörbiger.

Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen
Wiesn statt Toskana. Weil sich Leitmayr vor seiner Urlaubsreise noch um einen Besoffenen kümmert, wird es dieses Jahr nichts mit der Flucht vor dem Oktoberfest. Denn wenig später ist der Mann tot – offenbar ein „Zechanschlussdelikt“ – und Leitmayr war wahrscheinlich der Letzte, der ihn lebend gesehen hat. Obwohl er und Batic bald den mutmaßlichen Täter dingest machen können, wird Leitmayr in München dringend gebraucht. Denn der Tote war nicht betrunken, sondern hatte GHB verabreicht bekommen, ein schwer zu dosierendes Liquid Ecstasy, das in Verbindung mit Alkohol tödlich sein kann. Und er ist nicht der Einzige. 13 von 18 Vollrauschkandidaten hatten eine GHB-Vergiftung – alle nur im Amperbräu-Zelt. Will sich da einer rächen an der neuen Chefin, die einen rigideren Kurs bei den Angestellten fährt als ihr verstorbener Ehemann? Oder begeht da einer stellvertretend Aggressionsdelikte? Für die Münchner Polizei bedeutet das Großeinsatz. Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Und der Ermittlungswahnsinn geht täglich weiter, da „von oben“ entschieden wird, dass das Amperbräu-Zelt vorläufig nicht geschlossen wird. Und dann gibt es den zweiten Toten.

Tatort – Die letzte WiesnFoto: BR / Bernd Schuller
Unverkennbar: die Domina der Zapfhähne. Gisela Schneeberger, Daniel Christensen & Leo Reisinger in „Tatort – Die letzte Wiesn“

Schmunzeltechnisch geht immer was
Was der bayerische Heimatkrimi kann – das können die beiden grau gelockten Herren aus der Landeshauptstadt schon lange. „Die letzte Wiesn“ beginnt in ungewöhnlich kräftiger bayerischer Mundart und mit einem komödiantischen Unterton – deftige Brauchtumskritik inklusive. „Alkohol macht Birne hohl.“ Sechs Millionen Besucher jährlich scheinen es offensichtlich genau darauf abgesehen zu haben. Aber auch Oktoberfesthasser Leitmayr ist kein Flüssigkostverächter – der feiert mit Ivo und seinen drei Tanten kroatisch und im kleinen Kreis. Jeder säuft nach seiner Facon. Auch der direkte Vorgesetze der beiden Kommissare scheint ein kleines Problem zu haben, das in der Zeit der Wiesn ein bisschen größer wird. Und die zwei Schwedinnen, die sich bei dem vermeintlichen Urlauber Leitmayr eingemietet haben, bringen das Wiesn-Chaos („da darf sich jeder benehmen wie die letzte Sau“) direkt in seine ordentlichen Vierwände. Was also das Schmunzeln angeht – so ein bisserl was geht immer im 70. „Tatort“ der Münchner Urgesteine. Auch wenn Gisela Schneebergers Rolle als Amperbräu-Chefin eher realistisch geschäftsmännisch als komödiantisch angelegt ist.

Tatort – Die letzte WiesnFoto: BR / Bernd Schuller
Herzallerliebst: Diese schöne Maid (Mavie Hörbiger) hat es auch dem Franz angetan. Und ein junger Mann führt Böses im Schilde.

Nur drei im Kreis der Verdächtigen
Die Handlung arbeitet allerdings zunehmend dem Augenzwinkern massiv entgegen. Die Lage ist angespannt. Es könnte jederzeit weitere Tote geben. Derweil wird dem Zuschauer ein sehr stiller junger Mann mit einer Wohnung direkt mit Blick auf die Wiesn präsentiert; ein seltsamer Zeitgenosse, der sich im Amperbräu-Zelt mit Techno-Musik abschottet und trotzdem ein häufiger Gast zu sein scheint. Das Täterprofil, das die Kollegin von der Operativen Fallanalyse gibt, könnte passen: Mitte 20, Einzelgänger, krankhafte Fixierung. Und auch emotional scheint sich etwas anzubahnen in diesem „Tatort“: die allein erziehende Ina Sattler, die auf der Wiesn die Maßkrüge stemmt (da muss sich die zierliche Mavie Hörbiger ganz schön ins Zeug legen), hat es dem Franz angetan. Und weil er sie so ritterlich vor einem Grapscher beschützt hat, kommt er bei ihr für eine Nacht unter. Da die junge Frau eine Drogenvergangenheit hat, gehört auch sie zum Kreis der Verdächtigen. Und im Amperbräu-Zelt, das schließlich doch geschlossen wird, eskaliert der Konflikt zwischen der Chefin und ihrem Restaurantleiter.

Routiniert geplottet, unterhaltsam, populär
„Die letzte Wiesn“ wird erwartungsgemäß belebt von seinem dokumentarischen Touch. Der Film vom Österreicher Marvin Kren nach dem Drehbuch von Stefan Holtz und Florian Iwersen entstand während des Oktoberfests an Originalschauplätzen. Entsprechend zum Sujet dieses Krimis, das eine gewisse Oberflächlichkeit abbildet, ist der Film auch dramaturgisch nicht in die Tiefe erzählt. Mögliche Mordmotive und menschliche Notlagen werden nicht näher thematisiert, sie schwingen allenfalls mit, um die Taten am Ende einigermaßen plausibel zu machen. So ist ein routiniert geplotteter, sehr linear erzählter, im Detail gut elliptisch montierter „Tatort“ entstanden, der einiges andeutet und dennoch Whodunit-like einigermaßen spannend bleibt. Die Episode setzt im Gegensatz zu einigen extravaganten Ausnahmefilmen der Münchner Langzeitermittler aus der letzten Zeit („Der tiefe Schlaf“ / „Macht und Ohnmacht“ / „Aus der Tiefe der Zeit“ / „Am Ende des Flurs“) auf ein sehr breites Publikum. Die Bayern wollen offenbar auch einmal die Zehn-Millionen-Marke für ihr beliebtes Ermittlerduo knacken. Mit diesem abwechslungsreichen, unterhaltsamen, aber plottechnisch wenig anspruchsvollen Krimi könnte das durchaus gelingen. Mit seinen zwei Möhring-„Tatorten“ hat das Regisseur Kren allerdings nicht geschafft. (Text-Stand: 20.8.2015)

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Reihe

BR

Mit Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec, Ferdinand Hofer, Mavie Hörbiger, Jürgen Tonkel, Gisela Schneeberger, Lisa Wagner, Julius Feldmeier, Leo Reisinger, Robert Joseph Bartl, Gerhard Liebmann

Kamera: Moritz Schultheiss

Szenenbild: Oliver Hoese

Schnitt: Susanne Hartmann

Musik: Gerd Baumann

Produktionsfirma: Wiedemann & Berg

Drehbuch: Stefan Holtz, Florian Iwersen

Regie: Marvin Kren

Quote: 10,60 Mio. Zuschauer (30,9% MA)

EA: 20.09.2015 20:15 Uhr | ARD

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Kontoinhaber: Rainer Tittelbach