Eine chinesische Prinzessin in Münster. Songma, Künstlerin, Dissidentin und eine wunderschöne Frau, stellt ihre Installationen im Westfälischen Landesmuseum aus. Bei der Vernissage kommen sie und Prof. Boerne sich näher; danach führt der Rechtsmediziner die Diva in sein Allerheiligstes. Am nächsten Morgen liegt Songma auf dem Seziertisch, Boerne daneben auf dem Fußboden. Sie ist tot – und er hat offenbar die Tatwaffe in der Hand. Für Thiel ist es ein Ding der Unmöglichkeit, dass der werte Professor, den eine retrograde Amnesie ereilt hat, die blutige Tat begangen haben soll. Staatsanwältin Klemm aber muss sich an die Fakten halten: alles spricht nun mal gegen Boerne. Thiel ermittelt mit großem Elan, aber gegen die Immunität von Diplomaten, gegen die chinesische Geheimpolizei, gegen die Triaden und die Kunst-Mafia allerdings kann der kleine Mann aus Münster nur wenig ausrichten.
Foto: WDR / Thomas Kost
Ein Filmriss kommt selten allein. Auch Kommissar Thiel beginnt seine Ermittlungen in „Die chinesische Prinzessin“ nicht nur verkatert – auch er kann sich nicht mehr erinnern an das, was zwischen ihm und der Kollegin Nadeshda am Abend zuvor gelaufen ist. Launig fängt es also an, doch dann macht Autor Orkun Ertener Ernst: Boernes Bedrohung ist keine Episode. Der Rechtsmediziner muss in U-Haft – und er wird bis zum Ende des Films keinen einzigen seiner üblichen Späßchen machen. Kleinlaut ist der Herr Professor; selbst „Alberich“ heißt bei ihm plötzlich Frau Haller und diese bekommt auch noch Boernes aufrichtigen Dank. Warum nicht, diese veränderte Tonlage!? Doch so richtig was draus gemacht, hat „KDD“-Erfinder Ertener nicht. Dieser Fall wächst nicht nur dem wenig erfolgreich ermittelnden Thiel über den Kopf, auch der Zuschauer dürfte die halbgare Story um das chinesische Unrechtsregime, die berühmt-berüchtigten Triaden und die Unterdrückung der türkischsprachigen Uiguren etwas zu viel abverlangen. Politisch wird da nichts zu Ende gedacht – im Gegenteil: viel China-Geschrei um letztlich nichts. Wer die schöne Künstlerin und einen Chinesen uigurischer Abstammung ermordet hat, interessiert am Ende wenig, aber auch wie Boerne rehabilitiert wird, ist nicht besonders aufregend. Durch den Verlust der Komik entsteht bei „Die chinesische Prinzessin“ ein Vakuum, das der Krimi-Plot zu keiner Zeit ausgleichen kann.
Die „Bindung“ des Zuschauers an den Münsteraner „Tatort“ erfolgt für gewöhnlich durch die pointierte Kommunikation, den rituellen Schlagabtausch. In Fall 22 müsste nun diese Ironie durch Emotion und Dramatik ersetzt werden, damit man „mitgehen“ könnte mit dieser undurchsichtigen Handlung. Wie aber soll das auf einmal gehen mit diesen Figuren ohne jeden Realitätsbezug, die für gewöhnlich allein Spielbälle der Dramaturgie sind. Emotional gibt es bei den Chinesen auch nicht viel zu holen. Und das Mitleid mit dem ewigen Klugscheißer Boerne dürfte sich auch bei vielen Zuschauern in Grenzen halten. So ist „Die chinesische Prinzessin“ ein ehrenwerter, aber letztlich gescheiterter Versuch, das Verhältnis Thiel/Boerne neu auszuloten – mit dem Ergebnis eines komplizierten, aber keinesfalls komplexen Doppelmord-Krimis, der – außer viel Aktionismus im Schlussdrittel – wenig Packendes zu bieten hat.