Tatort – Der traurige König

Wachtveitl, Nemec, Vattrodt, Oetzmann, Stiller. Franz L. fühlt sich wie Franz K!

Foto: BR / Kerstin Stelter
Foto Rainer Tittelbach

Leitmayr unter Druck. Er hat geschossen – auf einen Mann mit Revolver-Replikat. Der Tote ist ein Nachbar von ihm. Der interne Ermittler wird unangenehm. Dieser „Tatort“, der um die Psychologie des Professionals kreist, orientiert sich dramaturgisch stärker an amerikanischen als an deutschen Vorbildern. Erzählt wird ein doppeltes Drama: vom Kommissar, der nicht mehr der Alte ist, von der kleinbürgerlichen, tragisch miteinander verstrickten Opfer-Familie. Dichtes Drehbuch, knappe Dialoge, präzise Regie. Alle Film-Gewerke auffallend gut!

Den Hauptkommissaren Leitmayr und Batic wird die Polizei-Assistentin Julia Winters aufs Auge gedrückt. Gleich bei der ersten Dienstfahrt geraten die drei durch die übereifrige Kollegin in eine prekäre Situation. Vor einem Bauernhof steht ein Auto in Flammen – drinnen eine Leiche. In einem der Hofgebäude bewegt sich etwas. Die drei rennen los. Im Halbdunkel ein Mann, eine Pistole, gerichtet auf die Polizisten. Sie rennen in Todesangst Richtung Ausgang. Plötzlich ist Julia in der Gewalt des Mannes. Dieser richtet die Waffe gegen Leitmayr. Es fallen Schüsse. Sie treffen den Mann in der Brust… Zunächst wird Franz Leitmayr als Held gefeiert. Als sich aber herausstellt, dass die Waffe des „Angreifers“ ein Replikat war, entpuppt sich der Mann von der internen Ermittlung als Wadenbeißer. Dabei macht sich Leitmayr selbst schon genug Vorwürfe. Es stellt sich auch noch heraus, dass der schwer Verletzte der Sohn einer alteingesessenen Nachbarsfamilie ist, die seit ewigen Zeiten einen Haushaltswarenladen führt. Auf ihren „Bub“ lassen die beiden Alten nichts kommen. Während Assistentin Julia auf einen Überfall auf den Baumarkt stößt, in dem der zweite Sohn der Familie arbeitet, wird gegen Leitmayr wegen fahrlässiger Körperverletzung ermittelt.

Tatort – Der traurige KönigFoto: BR / Kerstin Stelter
Prüfung? Gericht? Verhör? Leitmayr sieht sich einer kafkaesken Situation ausgesetzt. Franz L. fühlt sich auf einmal wie Franz K.

Die Psychologie des Franz Leitmayr:
Psychologin: „Reden ist das Einzige, was hilft.“
Leitmayr: „Das Einzige, was mir hilft: Ich muss herausfinden, weshalb der auf mich geschossen hat. Oder so getan hat. Und dafür brauche ich einen klaren Kopf. Und dafür muss ich schlafen. Und dafür brauche ich Tabletten.“

Ein Kommissar in einer Extremsituation, ein Held einer Krimi-Reihe unter Druck. Den größten macht er sich selbst. Anders als im klassischen Genre-Stück „Wir sind die Guten“, in dem vor zwei Jahren Ivo Batic handfest unter Mord-Verdacht geriet, entwickelt „Der traurige König“ einen realistischeren Fall, der näher dran ist an der Wirklichkeit eines Ermittelnden, der schießen müsste, ja töten musste. Dennoch orientiert sich dieser „Tatort“, der um die Psychologie des Professionals kreist, dramaturgisch stärker an amerikanischen als an deutschen Vorbildern. Erzählt wird ein doppeltes Drama. Hier der Kommissar, der feststellen muss: „Ich bin nicht mehr der Alte.“ Und der Franz L. heißt, sich aber wie ein Franz K fühlen muss – in diesem bizarr anmutenden Polizeiapparat, dieser mausgrauen Falle, mit diesem rattengesichtigen internen Ermittler und dieser Psychologin mit dem alles durchdringenden Blick. Dem Kommissar gegenüber gestellt: die kleinbürgerliche Familie, die durch die gegenseitige Sorge um den anderen tragisch miteinander verstrickt ist, und ein Vater, der seine Söhne zu Kain und Abel macht. Das Drehbuch zeichnet sich aus durch knappe, punktgenaue Dialoge und moralisch spielerische Umkehrsituationen, die nie zu lehrhaft geraten. Der Film ist gut besetzt und präzise inszeniert. Da haben alle Gewerke (Kamera, Schnitt, Szenenbild, Requisite, Kostüm etc.) gut gearbeitet. Und Wachtveitl bekommt mal wieder etwas zu spielen.

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Reihe

BR

Mit Mirolslav Nemec, Udo Wachtveitl, Sylta Fee Wegmann, Elisabeth Orth, Wolfgang Hübsch, Stephan Zinner, Torsten Michaelis, Alexander Held, Thomas Darchinger, Lasse Myhr

Kamera: Philipp Sichler

Szenenbild: Myriande Heller

Schnitt: Vera von Appeldorn

Produktionsfirma: Bavaria Fernsehproduktion

Drehbuch: Magnus Vattrodt, Jobst Christian Oetzmann

Regie: Thomas Stiller

Quote: 9,05 Mio. Zuschauer (23,5% MA)

EA: 26.02.2012 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

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