Kommissar Flemming sieht rot. Grund: sein nervöser Reizmagen – und ein korrupter Kollege. Zu einem ansehnlichen Zweikampf Hauptkommissar Morddezernat gegen Hauptkommissar Wirtschaftskriminalität entwickelt sich der Düsseldorf-„Tatort – Der Spezialist“ von Markus Fischer. Ein typischer Suspense-Krimi. Der Zuschauer ist im Bilde, das Wie ist entscheidend.
Karl Ammond (Rolf Hoppe), genannt der „Spezialist“, steht vor seiner Pensionierung. Ein akkurater, hochgeachteter Mann. Doch in Wahrheit nutzte er seine gute Beziehung zum Zoll für schmutzige Geschäfte, mit denen er sich seinen Lebensabend in Florida finanzieren möchte. Wenige Tage vor seiner großen Reise kann er sich Erpresser nicht leisten. Und so zieht der Mann mit den besten Verbindungen geschickt an den Fäden. Allein Kommissar Flemming (Martin Lüttge) lässt sich nicht gerne als Marionette missbrauchen.
Als „recht radikal“ bezeichnet Fischer seinen mittlerweile fünften „Tatort“. Dabei entwickelte auch er sich zum Experten für – wie er selber sagt – „die Gratwanderung zwischen Genre und Anspruch“. Krimi pur oder gar Action sind seine Sache nicht. Was den Schweizer Regisseur interessiert, sind Beziehungen, „Menschen, bei denen man hinter der Fassade in tiefe Abgrnde blicken kann“. Hinter die Dinge schauen – da ist einer wie Rolf Hoppe genau der richtige Darsteller. Diese leise, brüchige Stimme, das nachdenkliche Gesicht, das souveräne Auftreten. Wie er dem Zuschauer nach und nach Einblicke in sein Wesen gewährt, sich vom höchst kultivierten Kommissar kaum merklich zum cleveren Mini-Mabuse wandelt, mit dem es sich durchaus mitfühlen lässt – das ist Kammerspiel-„Tatort“-Spitzenklasse.
Auch optisch bietet „Der Spezialist“ allerhand. Nicht umsonst sieht sich Fischer als „fotografischer Regisseur“. Seine Handschrift schlägt sich nieder in klarer Bildaufteilung, ungewohnten Perspektiven, extremen Farben. Hinter der Kamera stand Jörg Schmidt-Reitwein, der etlich Werner-Herzog-Filme fotografiert hat. „Sein Umgang mit Licht ist einzigartig“, so Fischer. Unvergesslich: Hoppe im blaustichigen Zwielicht. (Text-Stand: 1996)