Tatort – Der frühe Abschied

Tom Schilling und Lisa Hagmeister in der Grauzone zwischen Schuld und Schicksal

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Foto Rainer Tittelbach

Sänger und Dellwo stoßen an die gesellschaftliche Schmerzgrenze. In „Der frühe Abschied“ geht es um den Schutz der Kinder und um überforderte Eltern und um die Aufgeregtheit, die hierzulande bezüglich dieses Themas herrscht. „Das ganze Land sieht doch überall nur noch Kindsmörderinnen“, ärgert sich Sänger. Mehr Drama als Krimi. Hoch emotional!

Die Frankfurter Ermittler Charlotte Sänger und Fritz Dellwo stoßen mal wieder an die Schmerzgrenze. In einem der letzten Fälle hatten sie es erst mit einem Fall von Kindesverwahrlosung zu tun. In „Der frühe Abschied“ nun rühren die Autorin Judith Angerbauer und Regisseur Lars Kraume noch kräftiger in einer Wunde unserer Gesellschaft: Es geht um den Schutz der Kinder und überforderte Eltern und um die Aufgeregtheit, die hierzulande bezüglich dieses Themas herrscht. „Das ganze Land sieht doch überall nur noch Kindsmörderinnen“, versucht Sänger etwas Ruhe in den hochemotionalen Fall zu bringen.

Der Ehemann ahnt Fürchterliches, als er von der Montage nach Hause kommt. Schon im Treppenhaus hört er schreckliche Schreie. Mit seiner psychisch labilen Frau hat er schon viel mitgemacht. Aber dieses Szenario ist der blanke Horror: Die Frau sitzt im Wohnzimmer und schreit sich die Kehle aus dem Hals. Im Kinderzimmer plärrt Baby Emily, ihr Zwillingsbruder Leon liegt leblos daneben. Der Vater sieht rot und ruft die Polizei. Seiner Frau traut er alles zu. Schon einmal ist ihr ein Kind weggestorben. „Ein plötzlicher Kindstod in der Familie ist tragisch, zwei sind verdächtig“, gibt auch der hinzu gezogene Psychologe zu bedenken.

Tatort – Der frühe AbschiedFoto: HR
Ist die eigene Ehefrau (Lisa Hagmeister) eine Kindsmörderin? Ihr Mann (Tom Schilling) und ihre Mutter (Johanna Gastdorf) glauben es. Sascha Göpel

Dieser „Tatort“ tut doppelt weh. Denn es ist nicht nur der Fall, der einen schmerzlich berührt, es ist auch die bittere Erkenntnis, dass die Grauzone zwischen Schuld und Schicksal groß ist. Das wiederum zwingt den Zuschauer, eigene Vorurteile zu hinterfragen. Auch das ist schwerer auszuhalten, als wenn ein Film – wie es der Normalfall ist – nur eine einzige moralische Haltung anbietet, der man sich problemlos anschließen kann. Autorin Judith Angerbauer suchte schon immer Themen und Darstellungsweisen, die wehtun. Mit dem Orgasmus-im-Alter-Drama „Mathilde liebt“ bescherte sie Christiane Hörbiger eine Glanzrolle und einen Quoten-Höhepunkt. Auch an der umstrittenen Vergewaltiger-Studie „Der freie Wille“, für den Jürgen Vogel den Silbernen Berlinale-Bären bekam, schrieb sie mit. Und auch mit Regisseur Kraume hat sie schon einmal erfolgreich zusammengearbeitet: bei einem anderen spektakulären HR-„Tatort“, dem am Tag des Frankfurter Marathons spielenden Thrillers „Das letzte Rennen“. Angerbauer fordert den aktiven Zuschauer, der sich selbst ein Bild macht, der sich bewegen und auch mal irritieren lässt, der aber auch nachdenkt.

Der Zuschauer sollte nicht mit einem klassischen Mörder(suche)krimi rechnen. Was er erwarten darf, ist ein spannendes psychologisches Ausnahmedrama, das mit vielen Zwischentönen und großartigen Schauspielerleistungen aufwartet. Die Darsteller des jungen Paares, Tom Schilling und Lisa Hagemeister, wurden denn auch beim diesjährigen Fernsehkrimi-Festival ausgezeichnet. (Text-Stand: 12.5.2008)

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Reihe

HR

Mit Andrea Sawatzki, Jörg Schüttauf, Lisa Hagmeister, Tom Schilling, Götz Schubert, Johanna Gastdorf

Kamera: Armin Alker

Schnitt: Stefan Blau

Produktionsfirma: Hessischer Rundfunk

Drehbuch: Judith Angerbauer

Regie: Lars Kraume

EA: 12.05.2008 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

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