Wilde Party in Moritz Eisners (Harald Krassnitzer) Wohnung. Der Kommissar feiert seinen 60. Geburtstag. Es wird getrunken, getanzt, am Ende sitzen Moritz und Kollegin Bibi (Adele Neuhauser) auf dem Sofa, es knistert, ein Kuss bahnt sich an. Doch Eisners Tochter Claudia (Tanja Raunig) und ihr neuer Freund Lukas (Julius Feldmeier) verabschieden sich noch, der Kuss muss warten. Als die Youngsters auf dem Weg zum Tanzclub sind, wagt Bibi einen neuen Anlauf. Doch Moritz ist eingeschlafen. Tags darauf ist die Ermittlerin unterwegs zum Tatort, versucht Moritz vergeblich zu erreichen. Claudia findet ihn in der Wohnung, er liegt am Boden, kann sich an nichts erinnern. Das ist der Einstieg in einen „Tatort“, der all das zu bieten hat, was einen richtig guten Krimi ausmacht: eine wendungsreiche Geschichte, Rätsel über Rätsel im Verlauf der Ermittlungen, eine interessante Figurenkonstellation, viel Spannung, reichlich Emotionen und ein packendes, intensives Finale.
Nach dem Filmriss kommt es noch dicker für Moritz. Als er mit Bibi beim Geschäftspartner des erschossenen Clubbesitzers Otto Hübner auftaucht, ergreift der die Flucht und schießt auf den Kommissar. Die Kugel streift ihn nur, doch dann der Schock: Am „Tatort“ findet man DNA von Eisner, Zeugen sagen aus, dass er nachts im Club aufgetaucht sei und schließlich bestätigt dies auch ein Überwachungsvideo. Im Müllcontainer seiner Wohnung wird die Tatwaffe gefunden. Eisner kann sich nicht erinnern, doch Bibi glaubt seinen Unschuldsbeteuerungen. Auch Polizeichef „Ernstl“ Rauter (Hubert Kramar) steht zu ihm, doch „die Interne“ macht Druck. Bibi verfolgt die Spur eines Killers, den man „Der Falkner“ nennt, sie arbeitet frühere Fällen von Moritz durch, sucht nach möglichen Rächeengeln, wird zwar vorerst nicht fündig, macht dafür aber andere möglicherweise entlastende Entdeckungen.
Foto: ORF / Petro Domenigg
Seit 25 Jahren schlüpft Harald Krassnitzer in die Rolle des Wiener „Tatort“-Kommissars. Im Januar 1999 gab er in der Folge „Nie wieder Oper“ sein Debüt als Oberstleutnant Moritz Eisner. Zwölf Jahre später kam Adele Neuhauser als Major Bibi Fellner hinzu. „Tatort – Dein Verlust“ ist der 33. gemeinsame Fall des Ermittler-Duos. Die Austria-Krimis packen häufig heiße Eisen an, stehen aber auch für fein dosierten Wiener Schmäh und pointierte Dialoge. Was sich über die Jahre durchzieht: Die Filme nehmen sich stets auch viel Zeit für das Binnenverhältnis der Kommissare, ihre Freundschaft, ihre unausgesprochene Privatbeziehung. Die ist im Lauf der Jahre sehr innig geworden, es gab auch schon Situationen, wo man dachte, jetzt funkt es. So auch diesmal. Doch der Moment wird wunderbar gebrochen. Danach geht es darum, was der Fall mit der Partnerschaft, der platonischen Liebe zwischen den beiden macht. „Glaubst du mir?“, fragt Moritz Bibi. Noch nie war er so auf ihre Hilfe angewiesen. Und Bibi will den Gedanken, dass er einen Menschen umgebracht haben könnte, nicht zulassen. Es sind liebevoll erzählte Kleinigkeiten, die dem Zuschauer die Figuren besonders nahebringen. Wenn Bibi nachts beim Joggen auf einer Brücke stoppt, sich ans Geländer lehnt, mit den Tränen kämpft und tags darauf ihre Lebensversicherung auflöst, um Geld zu beschaffen, dass sie zu dem Killer führen und Moritz vielleicht entlasten kann. Oder wenn Moritz seine Gefasstheit komplett verliert, in sich zusammensackt, sein Körper ihm entgleitet, und er nichts mehr unter Kontrolle hat. Das sind nur zwei von vielen sehr intensiven Szenen in diesem packenden Krimi aus der Feder von Thomas Christian Eichtinger und Samuel R. Schultschick, die schon den Wien-„Tatort – Unten“ (2020) geschrieben haben.
Inszeniert hat Eisners Jubiläumsfall Katharina Mückstein, deren Regiedebüt „L’Animale“ 2018 auf der Berlinale lief und die zuletzt drei Krimis der Reihe „Blind ermittelt“ gedreht hat und mit Wien im Film bestens vertraut ist. Eine äußerst sensible und eindringliche Regiearbeit ist ihr hier gelungen: Das Innere wird nach außen gekehrt, Eisners Angst, die Selbstzweifel, seine Panik, oder Bibis Horrorvorstellung, Moritz zu verlieren, das Mitleiden mit ihm, das Ringen um einen kühlen Kopf. Und es geht um Zusammenhalt, um Vertrauen, um (Selbst-)Zweifel. Ohne falsches Pathos. Mückstein erzählt das in starken Bildern; viele Szenen spielen nachts oder in eher dunklen Räumen. Mit Kameramann Michael Schindegger hat sie ein visuelles Konzept erarbeitet: Neonlicht, nasse Straßen bei Nacht, Innenräume ohne Tageslicht. „Wir wollen die Dunkelheit und die Isolation von der Welt drum herum darstellen. Unsere Figuren müssen immer tief eintauchen, um irgendwo hinzukommen“, sagt sie. Daraus ergibt sich ein emotional wuchtiger Krimi, absolut im Zentrum die beiden Kommissare, wie immer großartig gespielt von Harald Krassnitzer und Adele Neuhauser, die völlig verdient 2024 beim KrimiFestival in Wiesbaden mit dem Ehrenpreis ausgezeichnet wird. Nach längerer Abstinenz gibt es im Übrigen ein dramaturgisch stimmiges Wiedersehen mit Moritz Eisners Tochter Claudia (Tanja Raunig), die zuletzt 2017 im „Tatort – Schock“ mitgewirkt hat.