Tatort – Cash

Hartmann, Reinsperger, Werner, Sebastian Ko. Ein Baseballschläger wirkt Wunder

Foto: WDR / Thomas Kost
Foto Rainer Tittelbach

Anders als Anna Schudt, die vor zwei Jahren ohne Vorwarnung mit dem Tod ihrer Martina Bönisch aus dem „Tatort“ Dortmund ausschied, nimmt in „Cash“ (WDR / Bavaria Fiction) Rick Okon Abschied von seiner Rolle Jan Pawlak, der mächtig leiden muss bei seinem Abgang. Und auch sonst hat sich Autor Jürgen Werner einiges einfallen lassen: Er hat KTU-Kotzbrocken Haller zurückgeholt und einen weiteren Lieblingsfeind von Faber, der mal wieder in seinem provokant-sarkastischen Element ist, und nach einer Filmstunde sorgt Werner für eine dramaturgische Wende, die Vieles vom bisher Erzählten in Frage stellt, ja sogar umwertet – was erzähllogisch durchaus stimmig ist. Einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt dieser „Tatort“ nicht zuletzt auch durch die ebenso dynamische wie kompakte, einfalls- und abwechslungsreiche Inszenierung von Sebastian Ko. Und die Krönung ist eine Szene, in der Faber seiner jungen Kollegin zeigt, wie sich Druck abbauen lässt. Spätestens nach dieser Szene weiß man, dass hier ein Klasse-Ermittler-Duo zusammenwächst.

Die Mordkommission Dortmund ist nach Bönischs Tod im Umbruch. Faber (Jörg Hartmann) scheint sich berappelt zu haben; wenn nur nicht KTU-Mann Haller (Tilman Strauß) wäre, den er für den Tod seiner Kollegin verantwortlich sieht. Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) blüht regelrecht auf in ihrer neuen Rolle, glaubt aber nicht, dass für sie mehr als die kommissarische Leitung der Mordkommission möglich ist. Während sich die beiden zunehmend besser verstehen, klinkt sich Jan Pawlak (Rick Okon) immer mehr aus dem Trio aus und hängt wegen der schlechten Aussichten im Sorgerechtsstreit um seine Tochter (Jana Giesel) emotional völlig durch. Seine neue Leidenschaft ist das Zocken, sein neues Zuhause ein Wettbüro, das freundlich und familiär geführt wird. Bei 30.000 Euro Schulden allerdings hört auch bei Alkim Celik (Sahin Eryilmaz) die Freundschaft auf, noch dazu, wenn sein Chef Tarim Abakay (Adrian Can) heißt. Dieser spezielle Freund Fabers lebt vom Glücksspiel- und Drogengeschäft und schreckt vor (Auftrags-)Mord nicht zurück. Jetzt allerdings hat es einen seiner Mitarbeiter erwischt, ein Angestellter, ausgerechnet in dem Wettbüro, in dem Pawlak abhängt. Die Ermittlungen laufen schleppend. Verdächtig machen sich die Frau des Toten (Samira Yildiz), ihre Schwester, Celiks Frau Dilara (Neshe Demir), und ein Fußballer (Slavko Popadic). Der Fall schließlich entwickelt sich in Richtung Geldwäsche und Wettbetrug im großen Stil.

Tatort – CashFoto: WDR / Thomas Kost
Diesen Typen hat Faber (Jörg Hartmann) gefressen: KTU-Mann Sebastian Haller (Tilman Strauß). Noch hält sich der sonst so jähzornige Kommissar zurück. Doch man trifft sich immer zwei- oder dreimal im Dortmunder „Tatort“. Autor Jürgen Werner wird sich sicher irgendwann eine schöne „Wiedersehensfeier“ der beiden ausdenken. „Cash“ ist der 25. „Tatort“ aus Dortmund

Anders als Anna Schudt, die vor zwei Jahren ohne jegliche Vorwarnung der Öffentlichkeit mit dem Tod ihrer Figur Martina Bönisch aus dem „Tatort“ Dortmund ausschied, nimmt in „Cash“ Rick Okon Abschied von seiner Rolle Jan Pawlak. Dreizehn Filme sind es für ihn geworden. Sein Abgang – so viel kann verraten werden – kommt zwar bigger than life daher, sorgt aber keineswegs für einen weiteren westfälischen „Tatort“-Schock, sondern hat schon eher etwas vom legendären Schimanski-Abschied anno 1991. Rund sechzig Filmminuten aber muss Okons Figur erst mal erbärmlich leiden. Jürgen Werner, der 14 der bisher 24 Episoden aus Dortmund geschrieben hat, hat Pawlak einen weiteren Ausraster gegenüber seiner Schwiegermutter „angedichtet“, der ihn sogar das Umgangsrecht für seine Tochter kosten könnte, stellt einen charmanten narrativen Bezug zu dessen Einstieg vor sechs Jahren her und hat ihm einen handfesten Zoff ins Drehbuch geschrieben, ausgerechnet mit Kollegin Herzog, seiner einzigen Vertrauten, die sich nun aber nicht länger von ihm in der Manier eines (Spiel-)Süchtigen belügen lassen möchte. Durch diesen Beziehungsstreit gewinnt auch die Herzog-Figur deutlich an Profil und erteilt dem Rollenbild einer Ersatz-Bönisch eine knackig-sympathische Abfuhr. Das ist auch nötig, will man die beiden künftig zu zweit ermitteln lassen, wie WDR-Redakteur Frank Tönsmann im Pressedossier ankündigt. Einen kleinen Schock gibt es dann aber doch. Gerade gewann man den Eindruck, dass in Dortmund etwas Harmonie eingekehrt ist, da sorgt Werner im Schlussbild für den nächsten Dämpfer.

Überhaupt hat sich der erfahrene Drehbuchautor einiges einfallen lassen für den vierundzwanzigsten „Tatort“ aus Dortmund. Neben der Weiterentwicklung seiner Hauptcharaktere hat er „Kotzbrocken“ Haller wieder zurückgeholt, als Indikator für Fabers Seelenzustand: Hat sich der Kommissar im Griff oder ist seine Wandlung nur Fassade? Dank Herzog reagierte Faber auf Hallers Provokationen für seine Verhältnisse gemäßigt. Doch man trifft sich immer zweimal. Besonders im Dortmunder „Tatort“. Und so spricht Faber diesbezüglich eine Warnung in Richtung Haller aus, die ihm Werner sicher nicht ohne Grund in den Mund gelegt hat. Den kriminellen Clan-Boss Tarim Abakay trifft das „wuschige Trüffel-schwein“ – ähnlich wie einst seinen persönlichen Widersacher Markus Graf – bereits das dritte Mal. Und er ist mal wieder ganz in seinem provokant-sarkastischen Element; was den Befragungen an durchweg sehr telegenen Orten eine besondere Note verleiht. Das ist mehr als „Tatort“-Dienst nach Vorschrift. Das ist Spiel im Spiel, das ist Taktik, das ist menschliche Inszenierung, und Jörg Hartmann ist und bleibt einer, der diese Vielschichtigkeit lustvoll vermittelt. Den Geschichten Dichte geben ist eines der Hauptqualitätsmerkmale von Werners Drehbüchern. In „Cash“ sorgt er nach einer Filmstunde für eine dramaturgische Wende, die Vieles von dem, was bis dahin erzählt wurde, in Frage stellt, ja sogar umwertet – was nicht nur clever, sondern auch erzähllogisch stimmig ist. Und als Zuschauer kann man ein wenig durchatmen, da sich auch das Verhältnis des ermittelnden Trios zwischenzeitlich entspannt. Im Schussdrittel heißt dann das dramaturgische Prinzip (rücksichtsloses) Unter-Druck-Setzen. Das bringt den Fall der Lösung näher, kann aber auch wütend machen.

Tatort – CashFoto: WDR / Thomas Kost
Ein guter Rat unter Kollegen: Frust-Abbau Marke Faber. Noch ziert sich Rosa Herzog. Doch dann lässt sie es raus. Starke Szene!

Dass dieser „Tatort“, dessen Dramen der Kommissare über den guten, grundsoliden Fall dominieren, einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt, liegt auch an der ebenso dynamischen wie kompakten Inszenierung von Sebastian Ko („Kein einfacher Mord“), für den „Cash“ sein achter „Tatort“ ist: rasche Wechsel zwischen parallelen Handlungssträngen, attraktive, kurze und markant bespielte Schauplätze, entgeisterte Zeitraffer-Einstellungen, sinnstiftende Großeinstellungen, eine filmische Politik der Blicke – das alles ist immer einfalls- und abwechslungsreich und dient gleichermaßen den Geschichten. Obwohl das Ganze ästhetisch wohlüberlegt ist, ergeben sich daraus sowohl der für den „Tatort“ Dortmund typische soziale Angang als auch dessen realistische Anmutung. Auch im normalen Leben laufen Handlungen zeitgleich ab, und die Welt ist keine, die die Kommissare problemlos zu einer besseren machen können. Faber & Co sind im Dienst der Gesellschaft unterwegs, aber sie sind auch Menschen, die überleben wollen. Wie man das schafft, bringt der Extrem-Bulle der bisher so umgänglich-kollegialen jungen Kollegin in der schönsten Szene des Films näher. Hat man zu viel Wut im Bauch, benötigt man drei Dinge, um sich davon zu befreien: einen Baseballschläger, einen Schrottplatz und keine falsche Scheu. Spätestens das herzerfrischende Lachen von Faber/Hartmann und Herzog/Reinsperger nach dieser verhaltenstherapeutischen Maßnahme deutet an, dass hier ein Klasse-Duo zusammenwächst.

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Reihe

WDR

Mit Jörg Hartmann, Stefanie Reinsperger, Rick Okon, Alessija Lause, Sahin Eryilmaz, Adrian Can, Neshe Demir, Moritz Führmann, Tilman Strauß, Jana Giesel, Samira Yildiz, Leonidas Emre Pakkan, Slavko Popadic, Sybille Schedwill

Kamera: Andreas Köhler

Szenenbild: Michaela Schumann

Kostüm: Elisabeth Kraus

Schnitt: Dora Vajda

Musik: Olaf Didolff

Soundtrack: The Tacticions („Respectfully Proceeding“), Joy Division („No Love Lost“), Marble Sounds („Leave a Light On“)

Redaktion: Frank Tönsmann

Produktionsfirma: Bavaria Fiction

Produktion: Lucia Staubach

Drehbuch: Jürgen Werner

Regie: Sebastian Ko

Quote: 7,97 Mio. Zuschauer (26,2% MA)

EA: 18.02.2024 20:15 Uhr | ARD

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