Man kann sich eine Menge Gedanken darüber machen, warum die Deutschen so Krimi-verrückt sind. Dabei mag es auch um Ausgleich zu einem an Nervenkitzel eher armen Alltag gehen, aber nicht in erster Linie, wie der Erfolg der „Tatort“-Komödien aus Münster zeigt. Wichtig ist sicher auch die Zuverlässigkeit, mit der die vorübergehend gefährdete Ordnung wieder hergestellt wird. Eine große Rolle dürfte aber auch die Faszination der detektivischen Ermittlungsarbeit spielen; und in dieser Hinsicht ist „Abgenutzt“ geradezu exemplarisch.
Das Drehbuch stammt von Jens Maria Merz, der bislang überwiegend fürs Kinderfernsehen und die ZDF-Serie „Die Bergretter“ geschrieben hat. In seiner Geschichte jagen die Kölner Kommissare Ballauf und Schenk ein Phantom: Der Mordverdächtige, den sie suchen, ist vor einigen Jahren gestorben. Merz hat den Fall jedoch in eine Handlung von beeindruckender Komplexität gebettet. Spätestens mit der Beteiligung des Zollkriminalamts wird die Geschichte anspruchsvoll: Es geht um gefälschte Exportformulare, eine vermeintliche Lieferung von Anlagen zur Trinkwasseraufbereitung nach Tansania und einer tatsächlichen Lieferung von Turbinen in den Iran. All das liegt jedoch Jahre zurück und kommt nun eher nebenbei ans Licht. Die eigentlichen Ermittlungen betreffen einen Geschäftsmann, der eines Morgens erschossen am Rheinufer gefunden wird. Schenk erinnert sich, dass der Mann vor Jahren verdächtigt worden ist, seinen Kompagnon im Verlauf einer gemeinsamen Motorradtour durch die Wüste getötet zu haben. Nun scheint das damalige Opfer aus dem Jenseits Rache zu nehmen, und das bekommen auch andere frühere Geschäftspartner zu spüren.
Foto: WDR / Guido Engels
Nicht alle Kritiker sind so gnädig mit diesem Whodunit-Allerlei:
„Der gesellschaftspolitische Auftrag ist in diesem leichtsinnig zusammenfabulierten Krimi-Schlamassel nicht so recht zu erkennen. Dabei geben sich die Verantwortlichen alle Mühe, zig brenzlige Themen anzupacken. So geht es unter anderem um Wassergeschäfte in Tansania und Atomtechnikdeals mit Iran, um Steuer-CDs und Schmugglerkriminalität. Dazu kommen betont moderne Berufsbilder, die Ex-Frau des Verdächtigen arbeitet zum Beispiel als Well-Aging-Beraterin. Hilft alles nichts, dieser „Tatort“ mutet so brisant und so brandaktuell an wie ’ne alte Folge ‚Derrick'“. (Christian Buß, Spiegel online)
Mit zunehmender Dauer wird die Geschichte immer undurchsichtiger, zumal es angesichts der komplexen wirtschaftlichen Ebene viel Erklärungsbedarf gibt; die Kommissare lassen sich extra eine ZKA-Angestellte schicken, weil ihr eigener Mitarbeiter Tobias den Aktenberg allein nicht bewältigen kann. Schenk, der noch ein bisschen mit Tobias fremdelt, ist äußerst angetan von der kompetenten jungen Kollegin, aber leider bleibt Anna von Haeblers Mitwirkung ein einmaliger Auftritt. Die geschäftliche Seite ist zwar Auslöser der Handlungskette, aber auch viel graue Theorie. Deutlich spannender ist naturgemäß das indes nicht minder komplizierte Beziehungsgeflecht: Die Witwe (Dorka Gryllus) des in der Wüste verschwundenen und für tot erklärten Kompagnons ist irgendwann eine Liaison mit dem Partner ihres Mannes eingegangen, hat ihn jedoch wieder verlassen, als sie die heimlich in der Schweiz gebunkerten Millionen des Gatten geerbt hat; und nun will der Tote offenbar sein Geld zurück.
Ähnlich eindrucksvoll wie das Drehbuch ist die Umsetzung durch die in diesem Genre gleichfalls unerfahrene Dagmar Seume, der diese Aufgabe ganz offensichtlich nicht übertragen worden ist, weil der WDR den Anteil der Regisseurinnen beim „Tatort“ erhöhen wollte. Ihre überschaubare Filmografie enthält neben dem dritten „Hanni & Nanni“-Film auch „Alleine war gestern“ (2015), eine sehenswerte tragikomische Degeto-Produktion über einige Freunde um die sechzig, die eine WG gründen. Mit „Benutzt“ stellt sie nachdrücklich unter Beweis, dass sie auch Krimi kann. Das Tempo ist zwar vergleichsweise gemessen, aber die Darstellerführung ist ausgezeichnet. Für die Bildgestaltung sorgte mit Gunnar Fuß allerdings auch einer der renommiertesten deutschen Kameramänner. Gelegentlich gibt es Momente mit unnötigen Ausrufezeichen; so ahnt man zum Beispiel umgehend, dass die Chefin (Winnie Böwe) der ZKA-Kollegin irgendwie in die Sache verwickelt ist. Ansonsten aber imponiert der Film durch einen souverän inszenierten Handlungs- und Bilderreichtum. Gerade angesichts des öffentlich-rechtlichen Spardiktats sind die häufigen Schauplatzwechsel und die vielen Außenaufnahmen ohnehin erstaunlich. Zwischendurch gibt es mit der einen oder anderen Verfolgungsjagd (zu Fuß) zudem einige Action-Momente, die dank Kamera- und Schnittarbeit auch angemessen spannend sind. Ein Krimi alter Schule, sehenswert nur für Whodunit-Fans.