Hat der neue Chef eine Klatsche? Oder weshalb redet er ständig in der ersten Person und tut so, als ob er der Mörder sei. Peter Faber kam von Lübeck zurück in seine Heimat. Er hat den Chefposten angenommen, nachdem Martina Bönisch ihn abgelehnt hat. Sie hat zwei Kinder und einen arbeitslosen Mann zuhause – da muss irgendwann auch mal Schluss sein mit Mord und Totschlag. Anders Faber, der nimmt seinen ersten Fall gleich mit in die Freizeit. Zwei Homosexuelle wurden ermordet – und so treibt es ihn nächtens in eine Schwulenbar, später hält er sogar Händchen mit einem Verdächtigen. Die Kollegen wundern sich über diese Methoden, haben aber genügend eigene Probleme. So fragt sich Nora, Kriminaloberkommissarin, ob es denn wirklich eine gute Idee war, mit ihrem Kollegen, Aufreißer Stefan, ins Bett zu gehen. Aber auch der Fall hält alle vier auf Trapp. Sie bekommen es zu tun mit militanten Schwulen- und Lesbengegnern, einem verdächtigen Immobilienmakler und einer alteingesessenen Dortmunder Unternehmerfamilie. Auch der Tatort, die Drapierung der Leichen, ist ungewöhnlich…
Der WDR schickt ein drittes „Tatort“-Team ins Rennen. Am Rande des Ruhrpotts ist noch nicht alles tot gefilmt und vom Schulterschluss mit dem Massenmagnet BVB verspricht man sich offenbar noch einen Popularitätsschub für den neuen Ableger der ohnehin schon populären Reihe – deshalb also wohl Dortmund. Wesentlicher für die Geschichten dürfte dagegen das Team sein und die Entscheidung, ein Quartett ermitteln zu lassen, das in der Auftaktfolge häufig in zwei Duos „zerfällt“: da sind neben den mehr oder weniger desillusionierten Faber und Bönisch die Jungspunde um die Dreißig, mit denen verstärkt die Jugend abgeholt werden soll. Sie nehmen gleich in der ersten Szene eine Tradition aus den „Tatort“-Anfangsjahren auf: das Lockmittel Sex. Allerdings postmodern verschnitten mit dem ersten Mord. Was zunächst ein bisschen aussieht wie ein Rückfall ins (Hauptsache effektvolle!) TV-Movie der 90er Jahre, erweist sich retrospektiv als thematische Verklammerung: eine hasserfüllte Tat ist jener Mord auf jeden Fall nicht. Oder weshalb ist der Tote post mortem entkleidet worden? Es bestand von Seiten des Mörders offenbar ein Verlangen, den Toten zu berühren. Das reifere Ermittlerduo spielt die Situation durch: eine Art Opfer-Täter-Aufstellung. Gelebte Psychologie eines Mordes. Filmisch hochattraktiv.
So wie die Kommissare sich assoziativ die Mord-Interaktion erarbeiten, so kreist die Handlung allmählich den Fall und seine Tätergeschichte ein. Fast eine Stunde bleibt „Alter Ego“ ein Whodunit, ohne dabei die Mördersuche in den Mittelpunkt zu stellen. Spannender ist das, was das neue Team bei seinen Ermittlungen so alles an den Tag legt. Faber ist einer, der nicht gerne Hände schüttelt, während er den Tatort liest. Ein spröder Typ, der Kollegen wie Verdächtige gern irritiert, provoziert und unverschämt vor den Kopf stößt. Aber anders als Martin Wuttkes Keppler im „Tatort“ aus Leipzig setzt das Dortmund-Debüt auf mehr als nur charakterliche Eigenarten. Wenn Jörg Hartmann als von Depressionen geplagter Kommissar in die Rolle des Mörders schlüpft, versinnlicht er den Akt des Tötens, die Lust des (Trieb-)Täters, dass es eine makabre Freude ist.
Auch die anderen Figuren haben Potenzial, die Schauspieler überzeugen (obgleich sich Top-Frau Anna Schudt noch zurückhält), und der Altersunterschied wirkt weniger „aufgesetzt“ als erwartet. Aylin Tezel („Almanya“) ist eines „der“ neuen Gesichter der letzten zwei, drei Jahre und auch Stefan Konarske wird seinen Weg im „Tatort“ gehen. Kein anderes „Tatort“-Team imitiert so sehr das Muster einer Familie. Eine gute Idee vom mit entwickelnden Drehbuchautor Jürgen Werner… Und über allem schwebt das universale Thema: Kommunikation. Wie miteinander umgehen? Wie miteinander reden? Wie sich näher kommen? Die Handlung gibt da etwas Hilfestellung. BVB-Fan Daniel, der zunächst so gar nicht kann mit Faber, rettet seinem Chef, Schalke-Fan, das Leben. Wenn er das mal nicht bereut! Fazit: Gelungener Einstand, ein Team, von dem einiges zu erwarten ist, ein sich unmerklich zuspitzender Fall, nicht ganz klischeefrei, homogener Look, temporeich.