Tatort – Adams Alptraum

Striesows dritter Stellbrink-Fall: Dramaturgisches Unvermögen trifft Laientheater

Foto: SR / Manuela Meyer
Foto Rainer Tittelbach

Nun ist das bisschen Schrägheit des Saarbrücker „Tatort“-Kommissars auch noch weg – und so eiert Devid Striesows Stellbrink mittlerweile fast genauso kontur- und farblos wie Kollegin Lisa Marx durch den 08/15-Whodunit. Vielleicht würde man Hannu Salonens zwanghaftes Bemühen um Look und formale Abwechslung anders bewerten, wenn die Geschichte dichter, die Handlung geschickter und das Drehbuch klüger wären. Bis auf eine Stellbrink-in-Gefahr-Sequenz bleibt auch „Adams Alptraum“ ein weit unterdurchschnittlicher „Tatort“!

Alle lieben den Schwimmtrainer Sven Haasberger. Kurz nachdem er sich einen Preis für sein ehrenamtliches Engagement in der Jugendarbeit abgeholt hat, wird er von einer Horde Vermummter zu Tode geprügelt. Die Ärzte können ihn zwar wieder zurückholen – aber zehn Minuten klinisch tot zu sein ist eine lange Zeit. Offenbar hat ein Flashmob den Saarbrücker Ehrenbürger auf dem Gewissen. Wenig später häufen sich die Hinweise auf pädophile Neigungen des Kinder- und Jugendtrainers. Kommissar Stellbrink ist die Indizienlage noch zu dünn. Aber warum sollte man diesem Mann, der von den Medien zum „Badehosengrapscher“ gemacht wird, etwas in die Schuhe schieben, wenn man ihn hinterher tot prügelt? Auf einer einschlägigen Website soll ein Junge mit Haasberger gechattet haben. Wer ist dieser Junge? Haben sich da vielleicht übers Netz selbsternannte „Jugendschützer“ der besonders harten Sorte gefunden? Und ist Haasberger tatsächlich der Mann, der im Internet als „Adam“ sein Unwesen treibt? Fragen über Fragen. Jens Stellbrink & Co kommen einfach nicht weiter.

Kaum besser ergeht es Hauptdarsteller Devid Striesow mit seinem Kriminalhauptkommissar und dem „Tatort“ aus Saarbrücken. Der bislang bemüht witzige Ermittler wurde nach der herben Kritik an den ersten beiden Stellbrink-Fällen in „Adams Alptraum“ bis auf seine postpubertäre Lust, sich mit der Obrigkeit anzulegen, auf Normalmaß gestutzt. Die Schrägheit und der Eigenwille des Striesow-Charakters sind weitgehend verschwunden. Indes sitzt ihm seine Staatsanwältin noch immer im Nacken wie in einer schlechten Krimiserie aus den 90er Jahren, und so eiert er mittlerweile fast ebenso kontur- und farblos wie Kollegin Lisa Marx durch einen 08/15-Whodunit, der am Ende den Täter aus dem Hut – sprich, den Jens Stellbrink aus seiner Intuition – hervorzaubert. Für Transpiration war zuvor vor allem der Kollege Jordan zuständig, der Leiter der Spurensicherung, der sich zum unerklärlich lautsprecherischen Mitermittler aufspielt. Die Szenen im Kommissariat haben ästhetisch etwas viel zu Großspuriges; da wird Saarbrücken zu Chicago, da ist im Hintergrund ein Kommen und Gehen und permanentes Recherchieren. In Wahrheit laufen da Statisten durch die Räume und sollen mit Bewegung die Leere dieser Szenen und des ganzen Films kaschieren.

Tatort – Adams AlptraumFoto: SR / Manuela Meyer
Kommissar Jens Stellbrink (Striesow) bringt Anna (Inga Lessmann) Trost und Verständnis entgegen. „Tatort – Adams Alptraum“

Vielleicht würde man Hannu Salonens zwanghaftes Bemühen um Look und formale Abwechslung anders bewerten, wenn die Geschichte dichter, die Handlung geschickter und das Drehbuch klüger entwickelt wären. So wird man 90 Minuten zugemüllt mit Fakten und Finten, mit einer Krimi-Rhetorik, die gerade noch taugen würde für einen 45-Minüter oder den Vorabend. Andere Autoren dürfen sich in Krimi-Reihen mehr einfallen lassen: Variationen aus Zweidrittel Whodunit und einem Drittel offener Führung des Täters wäre zum Beispiel eine (immer beliebtere) Möglichkeit. Diesem Film fehlt eine klare dramaturgische Strukturierung, Aktion folgt auf Aktion, alles wird brav aneinandergereiht, im Minuten-, mal im Sekundentakt: ein nächtlicher Anschlag, ein Laptop in der Saar, zwei verdächtige Brüder tauchen unter, der Clinch der hinterbliebenen Frauen im Krankenhaus, die traurige Tochter, der Kripo-Zwischenbericht… Das Ganze plätschert 70 Minuten dahin, bis eine spannende Sequenz, in der sich Stellbrink als Köder für die Totschläger-Meute anbietet, das redundante Nichts für einige Minuten unterbricht. Apropos: Die Informationsvergabe ist eines der grundlegenden Mankos von „Adams Alptraum“. Oft weiß man als Zuschauer mehr und muss gelangweilt dabei zusehen, wie die Kommissare auf diesen Stand des Mehrwissens gebracht werden.

Bis auf die 10-minütige Stellbrink-in-Gefahr-Sequenz ist so gut wie alles unterdurchschnittlich an diesem „Tatort“. Wenig Klarheit gibt es bei der thematischen Zurichtung des Krimis: der Themen-Mix übt sich ein wenig in der Kritik am Flashmob-Unwesen, an dem, was man gern Wohlstandsverwahrlosung nennt, die instrumentalisierenden Medien werden von den Autoren nicht weniger instrumentalisiert und das Thema Kindesmissbrauch (auch wenn es sich als Finte herausstellen könnte), und die gesellschaftliche Hysterie, die bei dem Thema aufkommt, wird einmal mehr als bloßes Krimiklischee eingesetzt – aber das, was den Mord motiviert, das kann aus Gründen des „Spannungs“-Erhalts kein bisschen reflektiert werden. Die Sätze haben allenfalls Serien-Format: „Und warum? Warum mein Vater?“ / „Alle lieben ihn, alle“. Da fragt die Ex-Frau: „Anna, wer tut denn so etwas?“ Antwort: „Hab’ keine Ahnung.“ Wer schreibt solche Dialoge!? Kein Wunder, dass das Spiel der – außer Striesow – mittelmäßigen Schauspieler dadurch noch etwas besonders Laientheaterhaftes bekommt. Die Krönung ist die Auflösung. Stellbrink hat eine Eingebung – und dann erklären sich die Kommissare mit der Staatsanwaltschaft gegenseitig und dem Zuschauer in einem Frage-und-Antwort-Spiel den ganzen Fall, Situation für Situation. Im Grunde sind das alles nur Alibi-Erklärungen, um aus dieser Nummer herauszukommen. Der Film hat einen 85 Minuten lang so sehr unterfordert, dass kaum ein Zuschauer diesen geschwinden Ausführungen bis ins Detail wird folgen können. Ist das eine zynische Haltung den Zuschauern und dem Ritual „Tatort“ gegenüber („wird doch eh geguckt!“). Oder ist das nur Unvermögen? (Text-Stand: 26.12.2013)

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

SR

Mit Devid Striesow, Elisabeth Brück, Hartmut Volle, Inga Lessmann, Barbara Ullmann, Jonas Schlagowsky, Iason Becker, Mélanie Fouché, Sandra Steinbach, Markus Hoffmann

Kamera: Wolf Siegelmann

Szenenbild: Andreas C. Schmid

Schnitt: Julia Oehring

Produktionsfirma: ProSaar Medienproduktion

Drehbuch: Lars Montag, Dirk Kämper

Regie: Hannu Salonen

Quote: 9,5 Mio. Zuschauer (25,1% MA)

EA: 26.01.2014 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach