Tod eines Mädchens. Es muss eine große Wut im Spiel gewesen sein. Die 16-jährige Sandra ist kaum zu identifizieren. Die Mutter will den Tod nicht wahrhaben, der Vater ist sprachlos, die Schwester zeigt sich gegenüber Kommissar Stubbe seltsam abweisend. Sandra war der Stolz von Familie Blum. Vom Doppelleben der musisch begabten Musterschülerin wussten die Eltern nichts. Wenn sie ausging, wechselte sie die Jeans gegen Glitzerfummel, statt Klavier-Virtuosin wollte sie Rocksängerin werden. Der Anfang war gemacht. In der Todesnacht hatte sie einen Auftritt, danach noch ein Date in einem Aufnahmestudio. Emotional verstrickt waren viele mit der Toten (und kommen als Täter in Frage): Robert, der Sandras Schwester umflirten sollte und sich in sie verliebt, Ex-Freundin-Lilli, der das „Sonnenkind“ den Band-Job geklaut hat, oder deren Vater, auch wenn er nur an Sandras musikalischem Talent interessiert gewesen sein will. Und auch die Schwester der Toten benimmt sich immer eigenartiger.
„Der Stolz der Familie“ lässt einen zwischenzeitlich die Frage nach dem Täter vergessen. Ungewöhnlich stark und filmisch in sich geschlossen ist Stubbes Fast-Jubiläumsfall. 15 Jahre, 41 Fälle – und endlich ein bisschen leise. Nachdenklich war der Hamburger Kommissar aus dem Osten zwischendurch immer schon mal, doch deutlich dominierte das Launige in den klassischen Whodunits. Aus Stubbe alias Wolfgang Stumph lässt sich keine Bella Block machen – das verlangt auch keiner. So ein Fall wie „Der Stolz der Familie“ aber könnte mehr als die Ausnahme von der Regel sein. Stumph stehen diese besonnene Altersweisheit und dieser Ernst im Blick gut zu Gesicht. Auch Tochter Stephanie, deren Christiane in dieser Episode – passend – das Übel der „Generation Praktikum“ und des Zeitungssterbens erfahren muss, war selten so präsent. Nur der Witz von Kollege Zimmermann verfehlt seine Wirkung.
Dieser Samstags-Krimi ist eine runde Sache. Soziale Problemlagen der Jugend sowie der Elterngeneration werden, ohne allzu große Bemühtheit, in die Handlung eingeflochten. Einige Situationen bleiben am Ende einfach stehen (der Schmerz der Mutter, die Ratlosigkeit des Vaters), erfahren keine Kommentierung durch Stubbe & Co. Keine Binsenweisheit über Gott und die Welt zerstört den Nachklang der szenischen Atmosphäre. Ein Glücksfall ist die Besetzung. Die durchweg großartig agierenden Schauspieler geben kleine dramatische Miniaturen. Jede Figur hat ihre Geschichte, und für jede Geschichte fand Frauke Thielecke, eine Regisseurin, die mehr machen sollte als „Küstenwache“, das passende Gesicht.