„Bleib aus der Schusslinie“, rät Nina Petersen ihrem Wieder-Liebhaber Benjamin Lietz kurz vor einem SEK-Einsatz gegen einen Drogendealer. Die Polizei scheucht dabei einen Mann auf, der in den Startlöchern zu einem ganz anderen Verbrechen steht. Dieser schießt plötzlich durch die Tür – und Lietz feuert zurück. Der Mann kann fliehen. In der Verlängerung der Tür ein Gefesselter auf einem Stuhl – tödlich getroffen. Wenig später gerät Lietz schon wieder in die Schusslinie: Der Tote war Besitzer einer Single-Hotline – und der Polizist hat einst dort nach der Trennung von Nina Petersen Trost gesucht. Es sieht ganz danach aus, als ob ein anderer, psychisch gestörter Kunde der Online-Partnervermittlung so sehr enttäuscht ist von den Leistungen der Flirt-Firma und der von ihr engagierten Frauen, dass er sich rächen will. Wenig später wird die Frau, mit der sich Lietz einst getroffen hatte, ermordet aufgefunden. Neben der Leiche ein Malvenstrauß. Der Mörder hat drei weitere Blumensträuße gekauft.
Autor Sven Poser über die Psychologie des Täters:
„Wir erzählen von einem Täter, der das Gefühl der Vereinsamung und des gesellschaftlichen Ausgeschlossenseins besonders stark empfindet. Um ihn herum scheinen alle Menschen zufrieden und in ihr Umfeld eingebunden. Nur für ihn zählt das Glücksversprechen der Gesellschaft nicht. Er fühlt sich betrogen und seine Gefühle verraten. Daraus entwickelt er den Hass und die Energie, sich in Bewegung zu setzen und loszuschlagen.“
Der Zuschauer weiß immer ein bisschen mehr als die Ermittler in „Stralsund – Blutige Fährte“. Was für einen Whodunit tödlich langweilig wäre, gibt einem Krimi-Thriller den nötigen psychophysischen Drive. Als die Polizei noch im Dunkeln tappt, was den Einbruch und (wie sich durch die Ballistiker herausstellt) den Mord am Hotline-Betreiber angeht, macht man sich vor dem Fernseher schon auf einen Serienmörder gefasst. Das permanente Kurzschließen zwischen Täter-Plot und Ermittler-Ebene, inklusive den gut motivierten Spannungen im Team, lassen keine Langeweile oder das Gefühl der Überinformiertheit aufkommen – kurzum: auch mit dem dritten „Stralsund“-Krimi ist Autor Sven S. Poser und Autor-Regisseur Martin Eigler ein spannungsästhetisch ausgefeilter Krimi-Thriller gelungen.
Die Dramaturgie lebt vom Zeitdruck, ohne in kopflosen Hyperaktionismus zu verfallen. Auch wenn der Polizei nicht viel Zeit bleibt, sich lange in die Psyche des Täters hineinzuversetzen (dafür ist wohl auch keiner geschult in diesem Team), so bekommt der Zuschauer doch genügend „Material“ vom Täter selbst geliefert, das auf dessen tief sitzende Verletzung verweist. Jener Boris Gerg hasst die Frauen, die, die ein falsches Spiel treiben und sich unwiderstehlich finden. Er nimmt das persönlich. „Ich habe nur das gemacht, wovon Männer träumen“, betont der Frauenhasser. Der aufgehaltene Serienmörder wird im Übrigen nicht als psychopathisches Monster dargestellt, sondern auch als Opfer einer Gesellschaft, in der dieser vereinsamte, junge Mann, der seine Liebsten verlor, seinen Platz nicht zu finden weiß.