In Fernsehkrimis sind es zumeist die Täter, die in den Mittelpunkt des Interesses rücken. Sie werden gejagt, vernommen, psychologisiert. In “Stärker als der Tod” richtet Nikolaus Leytner auf den Mord an einer 14-Jährigen einen anderen Fokus: der Autor-Regisseur schaut auf die Opfer. “Was passiert wirklich mit denen, die übrig bleiben, was geschieht mit der Familie um ein ermordetes Kind”, bringt es die Hauptdarstellerin Veronica Ferres auf den Punkt.
So wie die Mutter bald spürt, dass die Tochter tot ist, während der Vater sich in betriebsame Suche nach der Tochter stürzt, so merkt der Zuschauer sehr früh, dass es sich hier um keinen gewöhnlichen Krimi handelt. Die Motive der Tat und die Ermittlungsarbeit der Polizei bleiben im Hintergrund. “Gezeigt wird der Riss, der durch ein scheinbar intaktes Familienidyll geht, als das Undenkbare passiert”, so ZDF-Redakteur Martin R. Neumann. Im Wirrwarr aus Schuldgefühlen und Vorwürfen driftet die Familie auseinander. Der depressive Vater widmet sein Leben nun dem “Verein verwaister Eltern” und zieht sich immer mehr von seiner zweiten Tochter und der Ehefrau zurück, während Letztere versucht, die Familie zu retten.
Leytner arbeitete über zwei Jahre am Drehbuch. Anfangs befürchtete er “eine lose Aneinanderreihung verschiedener Aggregatszustände von Verzweiflung und Trauer”. Deshalb suchte er einen ebenso dramaturgisch wirksamen wie wirklichkeitsgetreuen Konflikt. Er fand ihn in der Familienkonstellation und den Mentalitäten seiner Figuren. Leytner machte die Mutter nach einer ersten Agonie des Verlustes zur Kämpfernatur, während er den von August Zirner gespielten Vater in seinem Schuldbewusstsein, arbeitsunfähig und nervlich zerrütet, versinken lässt.
Trauerarbeit und überlebensstrategisches Verdrängen eines lebenslänglichen Schmerzes – ein schwerer Stoff. Und ein nachhaltiger, konsequent spröde inszenierter Film. Für Ferres war dieses Psychodrama “eine innere Reise durch sich selbst”. Die Dreharbeiten hatten es in sich. Und doch, gerade wegen des schwierigen Themas berichtet sie von “Momenten, in denen man hat lachen müssen oder einfach Unsinn gemacht hat”. Bei einem Film wie “Stärker als der Tod” habe das so sein müssen: als eine Art Ventil-Funktion. (Text-Stand: 26.1.2004)