Wenn den Geschichtenerzählern gar nichts mehr einfällt, dann müssen die Kleinkinder ran. Kindesentführung kommt immer gut. Da sind von Anfang an beim Zuschauer viel Emotionen im Spiel. Der Rest ist dann nur noch Routine. So muss sich das Sat 1 gedacht haben bei “Spurlos – Ein Baby verschwindet”. Dazu ein paar Namen und Gesichter, mit denen sowohl der Zuschauer als auch die Programmpresse und Fernsehkritik etwas anfangen können: Désirée Nosbusch, Muriel Baumeister, Erol Sander und Martin Semmelrogge sind gut fürs Bunte; Maria Simon, Horst Krause und Jürgen Schornagel stehen dagegen für Anspruch.
Am Anfang steht der Tod einer Frau, die gerade entbunden hat. Man hat sie gewissenlos verbluten lassen und wie ein Stück Müll im Wald abgeladen. Vom Neugeborenen fehlt jede Spur. Das Ermittlungsteam um Kommissarin Katja Wedekind hält noch ein weiterer Fall auf Trab. Ein Baby wird am hellichten Tag entführt: eine geistig verwirrte junge Frau nimmt es aus dem Kinderwagen und bildet sich fortan ein, dass es ihr eigenes Kind ist. Einen Tag später gibt die Kidnapperin das Baby in einer Klinik ab und stellt sich der Polizei. Kommissarin Wedekind vermutet einen Zusammenhang zwischen dem Schicksal der beiden jungen Frauen.
Muss das sein?! Jetzt auch noch Désirée Nosbusch als Kommissarin. Nichts gegen das ewige Multitalent – aber als Chef-Ermittlerin im Schmelztiegel Berlin ist sie eine glatte Fehlbesetzung. Davon abgesehen hätte selbst eine gestandenere Kollegin aus diesem 08/15-Krimi auch nur wenig mehr herausholen können. “Spurlos – Ein Baby verschwindet” – der einfallslose Titel ist Programm. Das Sat-1-Movie ist einer jener Filme, an die sich der Zuschauer einen Tag danach nicht mehr erinnert. Ein Krimi von der Stange, der zwar eine Psychologin als Figur bemüht, selbst aber nur mit Küchenpsychologie glänzt und der ohne Substanzverlust auch problemlos in 60 Minuten erzählt hätte werden können. Von derlei hanebüchenen Allerweltskrimis mit spekulativem Boulevard-Touch und Klischee-Overkill braucht das deutsche Fernsehen nun wirklich nicht noch mehr.
