„Wenn ich auf mein Leben zurücksehe, dann ist da nichts, auf das ich stolz sein kann. Ich bin dabei, alles zu verlieren – aus grenzenloser Dummheit.“ Harry Ritter ist ein melancholischer, einsamer Mann. 15 Jahre saß er im Knast – weil er geschwiegen hat nach einem Raubüberfall, bei dem ein Mann erschossen wurde. Einen Tag ist er in Freiheit, da wird ein Privatdetektiv tot aus dem Vlies geborgen: Eberhardt Lunger, einer von Ritters Komplizen. Klar, dass sich Kommissar Krüger seinen Reim darauf macht. Doch erst später. Zunächst muss er sich mit dem jungdynamischen Staatsanwalt Matthias Panasch herumschlagen. Bis der Einzelgänger-Ermittler herausfindet, dass Panasch der Sohn von Knastbruder Ritter ist. Derweil ist „Schlange“, der dritte Mann von damals, ein elendes Wrack, aus der Deckung gekrochen. Er fordert seinen Anteil ein. „Von 15 Jahren Knast?“, kontert Ritter und macht sich auf Versöhnungstour zur Familie seines Sohnes. Doch für Panasch ist sein Vater gestorben.
„Auch verschlungene Wege führen zum Ziel“, heißt es beiläufig in dem Fernsehfilm „Die Tränen der Fische“. Dieser Sinnspruch charakterisiert sehr treffend die Erzählweise des Films. Zehn Figuren werden eingeführt und erst nach und nach werden deren Identitäten und deren Rollen geklärt, die sie in der komplexen, aber nie übermäßig komplizierten Geschichte spielen. Der Film, der dritte der ZDF-Spreewaldtrilogie, folgt zunächst Menschen, die sich beobachten, belauern, die sich nicht die Wahrheit sagen. In fast jeder Szene, in jeder Interaktion spürt man zwischen den Agierenden ein Gefälle in punkto Macht, Kompetenz oder Moral. Das alles ist leise angedeutet, hingehaucht. Der Zuschauer wird es wahrscheinlich nur intuitiv wahrnehmen. Das ist das Angenehme an diesem Film: er erzählt – anstatt laufend die gegebenen Informationen zu erklären. Der Film verführt zum genauen Hinsehen.
Aus den verschiedenen Handlungssträngen ergibt sich ein Weg für den Zuschauer. Der führt in eine ebenso tragische wie hoch emotionale Familiengeschichte um Schuld und Sühne, in einen Vater-Sohn-Konflikt, der nach Versöhnung schreit. Und dieser Weg führt immer wieder durch den geheimnisumwobenen Spreewald. „Die Fließe verlangsamen das Geschehen und konzentrieren den Blick auf das Wesentliche“, umschreibt ZDF-Redakteur Pit Rampelt die atmosphärische Kraft der Landschaft, die die Tonlage des Films entscheidend mitprägt. Entsprechend werden die Geschichten dieses Ensemblefilms nicht straff und dicht zusammengezurrt, es bleiben nach 90 Minuten einige lose Enden. Das ist nicht das Ergebnis schwacher Drehbucharbeit, sondern ist eher dem Liebäugeln mit einer offenen „realistischen“ Dramaturgie geschuldet. „Der Film ist vielschichtig, verwoben, einander durchfließend wie der Spreewald, in dem Krimis immer Dramen sind“, gibt Drehbuchautor Thomas Kirchner („Schicksalsjahre“) Interpretationshilfe. Das kluge Konzept ist eine Steilvorlage für den österreichischen Regisseur Thomas Roth („Tatort – Exitus“) und für das starke Schauspieler-Ensemble: Uwe Kockisch und Christian Redl sind die Seele des Films, Matthias Koeberlin der Kopf und die die Frauen, Johanna Klante und Jenny Schily, das Herz. Bleibt Henry Hübchens Gangster: der sorgt für ein bisschen Ironie und reichlich Irrsinn. (Text-Stand: 28.3.2011)