Solo für Weiss – Das letzte Opfer

Anna Maria Mühe, Jan Krauter, Florian Lukas, Klaschka, Bialas. Verlorene Seelen

Foto: ZDF / Sandra Hoever
Foto Tilmann P. Gangloff

Bei seiner letzten Arbeit für die ZDF-Reihe „Solo für Schwarz” (Network Movie), „Für immer schweigen“, hat sich Drehbuchautor Mathias Klaschka am Gesundheitssystem abgearbeitet; das war zwar interessant, aber der Krimispannung nur bedingt förderlich. „Das letzte Opfer“ ist dagegen Thriller pur: Nora Weiss (Anna Maria Mühe) sucht einen Serienmörder, der womöglich auch die Tochter des LKA-Chefs auf dem Gewissen hat. Schon der Auftakt des Films ist ein clever konzipierter Köder. Auch dank einer vorzüglichen Musik und der exzellenten Bildgestaltung gelingt es Regisseurin Esther Bialas bei ihrem Krimidebüt, über die Spannung hinaus große Anteilnahme an den Figuren zu wecken, zumal der Film nicht nur die Heldin mit emotionalen Grenzsituationen konfrontiert. Sehenswert ist die sechste Episode der Reihe nicht zuletzt wegen Gaststar Florian Lukas als deprimierter Ex-Polizist.

Eigentlich mochte sie ihn gar nicht, und er hat sich regelmäßig über ihre Alleingänge geärgert, aber nun ist er tot, und sie fühlt sich dafür verantwortlich: Der Auftakt zum sechsten Krimi mit Anna Maria Mühe als Kieler Kommissarin ist ein außerordentlich cleverer Köder. Der Film beginnt mit einer kurzen Ansprache: LKA-Präsident Böhnisch (Hannes Hellmann) wechselt in den Ruhestand. „Wir hatten unsere Differenzen, aber ich verlasse mich auf Sie“, sagt er zu Nora Weiss (Anna Maria Mühe); dann geht er. Sie hat keine Ahnung, wovon er spricht, spürt aber, dass irgendwas nicht stimmt, und folgt ihm. Den Abschiedsblick, den er ihr aus dem Fahrstuhl zuwirft, wird sie nie vergessen. In der Tiefgarage steigt Böhnisch in sein Auto und erschießt sich; sie kommt zu spät. Auf ihrem Schreibtisch findet sie den Schlüssel zu seinem Vermächtnis: Die Wände einer Gartenhütte sind tapeziert mit den Dokumenten einer erfolglosen Recherche. Seit zwei Jahren ist Böhnischs Tochter Jasmin, die als Altenpflegerin in Rostock gearbeitet hat, wie vom Erdboden verschluckt, und Nora weiß nun, dass die rätselhafte Aussage ihres Chefs ein letzter Auftrag war.

Solo für Weiss – Das letzte OpferFoto: ZDF / Sandra Hoever
Martina Drechsler (Inka Friedrich) stattet Dominik Kramer (Florian Lukas) einen Besuch ab, um ihn vor der Kommissarin Nora Weiss (Anna Maria Mühe) zu warnen.

„Kommissarin Heller“-Autor Mathias Klaschka war mit Ausnahme der letzten Episode bislang an allen „Solo für Weiss“-Filmen beteiligt. Die beiden Drehbücher, die er allein verfasst hat, lagen allerdings unter dem Durchschnitt der Reihe; „Für immer schweigen“ (2019) zum Beispiel war zwar ein interessanter Krimi, arbeitete sich jedoch allzu sehr am Gesundheitssystem ab. „Das letzte Opfer“ ist dagegen Thriller pur: Parallel zu den Ereignissen im LKA-Gebäude zeigt der Film die Flucht einer spärlich bekleideten jungen Frau aus einer Waldhütte. Am nächsten Tag wird an einem Strand in der Nähe von Lübeck die Leiche einer seit vier Tage vermissten Krankenpflegerin gefunden. Für Nora steht außer Frage, dass dieser Mord und Jasmins Verschwinden miteinander zusammen hängen. Der Lübecker Kripo-Kollege Brandt (Jan Krauter) findet raus, dass in Rostock vor einiger Zeit eine weitere junge Frau getötet worden ist: gleiches Alter, ähnlicher Typ. Der Ermittler, Dominik Kramer (Florian Lukas), hat sich die vergebliche Suche damals derart zu Herzen genommen, dass er den Dienst quittieren musste. Und jetzt geht die Geschichte erst richtig los: Jasmin Böhnisch fühlte sich von einem Stalker verfolgt und ist zur Polizei gegangen; aber dort verliert sich ihre Spur.

Die Handlung ist jederzeit fesselnd und derart dicht erzählt, dass neunzig Minuten fast zu kurz wirken. Geschickt durchmischt Klaschka seine Geschichte mit Elementen, die auf den ersten Blick nichts mit der Mördersuche zu tun haben. Dass beispielsweise Brandt seinen kleinen Sohn mit ins Büro bringt, führt zu einer Geiselnahme, die Nora auf ihre Weise löst. Außerdem gibt es einige Momente, die einen reizvollen Kontrast zur Krimi-Ebene bilden: Nora stöbert den von seiner Frau verlassenen Kramer, der seinen Kummer in Alkohol ertränkt, in einer Kneipe auf, bringt ihn nach Hause und lässt zu, dass er beim Einschlafen ihre Hand hält; zwei verlorene Seelen, die sich gefunden haben. Gerade in diesen Szenen zeigt sich das Talent von Regisseurin Esther Bialas, deren Langfilmdebüt, das sehenswerte Mystery-Drama „Wo kein Schatten fällt“ (2018), und deren Serie „Komm schon!“ nicht minder sehenswert waren.

Solo für Weiss – Das letzte OpferFoto: ZDF / Sandra Hoever
Fokussiert und hochkonzentriert. So kennt man Nora Weiss (Anna Maria Mühe).

Thriller-Spannung wie etwa beim fesselnden Finale, als Nora dem Mörder in die Falle geht, ist in der Regel das Resultat eines guten Zusammenspiels von Kamera, Schnitt und Musik; also Handwerk. So sorgen zum Beispiel sekundenkurze Einschübe mit Noras Visionen von Böhnisch und Jasmin für wirkungsvolle Schauereffekte. Anteilnahme zu wecken ist dagegen deutlich schwieriger, selbst wenn Klaschka seine Figuren mehrfach mit emotionalen Grenzsituationen konfrontiert. Auch dabei spielen Musik und Kamera eine entscheidende Rolle: Florian Tessloff trifft mit seinen vorzüglichen Kompositionen in den packenden wie auch in den entspannten Szenen exakt den richtigen Ton. Martin Neumeyers Bildgestaltung ist ebenfalls exzellent. Das ästhetische Konzept mit den kühlen Außenaufnahmen, die für eine düstere Atmosphäre sorgen, und den heimeligen Lichtinseln innen mag nicht originell klingen, aber die Umsetzung ist regelrecht kunstvoll. Auf ähnlich hohem Niveau bewegt sich Bialas’ Arbeit mit dem Ensemble. Neben der Hauptdarstellerin sowie Florian Lukas als anrührend deprimierter Ex-Polizist bleibt vor allem Tilman Strauß in Erinnerung. (Text-Stand: 1.11.2021)

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Reihe

ZDF

Mit Anna Maria Mühe, Jan Krauter, Florian Lukas, Mirco Kreibich, Peter Jordan, Tilman Strauß, Inka Friedrich, Oana Salomon, Hannes Hellmann

Kamera: Martin Neumeyer

Szenenbild: Benjamin Speiswinkel

Kostüm: Natascha Curtius-Noss

Schnitt: Maren Unterburger

Musik: Florian Tessloff

Soundtrack: Sophie Hunger („She Makes President“), 30 Seconds to Mars („The Kill”)

Redaktion: Daniel Blum

Produktionsfirma: Network Movie

Produktion: Jutta Lieck-Klenke

Drehbuch: Mathias Klaschka

Regie: Esther Bialas

Quote: 7,14 Mio. Zuschauer (23,1% MA); Wh. (2023): 5,05 Mio. Zuschauer (22,5% MA)

EA: 29.11.2021 20:15 Uhr | ZDF

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach