Schlaflos

Senta Berger, Ehry, Kleefeld. Eine Frau, die im Knast saß und den wahren Schuldigen sucht

Foto: WDR / Frank Dicks
Foto Rainer Tittelbach

Senta Berger mal wieder in Bestform. In „Schlaflos“ spielt sie eine Schauspielerin, die im Gefängnis saß – wegen Totschlags an ihrem Geliebten. Dem Urteil ging ein Indizienprozess voraus. Nun will die Frau, die ihre besten Jahre verpasst hat, endlich Gerechtigkeit.

In Würde altern. Keiner Schauspielerin hierzulande gelingt das so gut wie Senta Berger. Es ist große Klasse, wie sie als Kriminalrätin Prohacek mit reifer Weiblichkeit in „Unter Verdacht“ seit sieben Jahren dem Krimi-Genre Glanzlichter aufsetzt. In „Schlaflos“ toppt sie sogar noch ihre Leistungen in der ZDF-Reihe. Die Öffentlichkeit glaubt ihre Figur in diesem spannenden Fernsehfilm auf der anderen Seite des Gesetzes. Zwölf Jahre saß die Frau im Gefängnis – wegen Totschlags an ihrem Geliebten. Dem Urteil ging ein Indizienprozess voraus. Nun will die Frau, die ihre besten Jahre im Gefängnis verbracht hat, Gerechtigkeit um jeden Preis.

Man sieht dieser Carla Sagmeister die Strapazen von zwölf Jahren Haft an. Berger stehen sie – unterstützt von der Maske – ins Gesicht geschrieben. Ihre Augen deuten eine tief verletzte Frau an. Doch sie kommt schneller als erwartet zu sich. Sie war einmal Schauspielerin, sie weiß, wie man Stimmungen abstreift, und sie weiß, welche Rolle sie spielen will. Sagmeister ist kein Opfer-Typ. Sie will Klarheit. Sie will die Wahrheit. Sie kauft sich eine Pistole – und man muss das Schlimmste befürchten. Doch Sagmeister ist kein Racheengel, sie ist klug und sie hat einen Plan. Sie hatte viel Zeit, nachzudenken – und zu lesen: So erfuhr sie, dass es heute andere forensische Möglichkeiten gibt. Unscharfe Bilder einer Überwachungskamera waren die Grundlage für das Gutachten, das sie hinter Gitter brachte. Jetzt steht sie dem Mann, der ihr zwölf Jahre ihres Lebens schuldet, gegenüber. Eine Waffe auf ihn gerichtet.

SchlaflosFoto: WDR / Frank Dicks
Mehr als ein Genre-Racheengel. Carla Sagmeister (Senta Berger) wird nach 12 Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Nach ihrer Freilassung hat sie nur ein Ziel: ihre Unschuld am Tod ihres Geliebten zu beweisen. Um herauszufinden, was damals wirklich geschah, unternimmt sie eine Reise in die eigene Vergangenheit. Anfangs ist sie noch ein wenig orientierungslos in der Freiheit.

Für Senta Berger ist es ein „Film Noir – spannend, geheimnisvoll, mit allen Elementen eines gut gemachten Thrillers“. Entsprechend ihr Outfit: schwarzer Rock, schwarzer Pullover, schwarzer Regenmantel. „Zum Kontrast dazu stellte ich sie mir blond vor – also färbten wir meine Haare“, erinnert sich Berger. Eine Egomanin als Hauptfigur, falsche Fährten und eine an Wendungen reiche Handlung vervollständigen das Bild eines Genrefilms, der eine ungewöhnliche Geschichte jenseits der gängigen TV-Muster erzählt. „Schlaflos“ ist aber nicht nur ein Genrefilm. „Es geht um viel mehr als die reine Spannung“, betont August Zirner, der den Forensiker spielt. Für den Grimme-Preisträger ist es ein Film der Mehrdeutigkeiten. „Eine spannende, dramatische Charakterstudie – über Freiheit, Wahrheit, über Schuld, auch über das Älterwerden“, sieht Regisseurin Isabel Kleefeld („Arnies Welt“) in der WDR-Produktion.

Es geht um eine faszinierende Person. Eine Frau, die viel allein war. Sagmeisters Kommunikationsstil reduziert sich deshalb zunächst auf eine Mischung aus Selbstgespräch und Rezitation. Dann findet die Heldin langsam zu ihrer Sprache zurück: „Wenn Sie jetzt sagen, ich hab noch ein paar gute Jahre vor mir, dann erschieß’ ich Sie auf der Stelle“, ist einer ihrer markanten Sätze. Von da an geht es bergauf mit ihr. Sie denkt nicht an Mord, nicht an Rache, nicht einmal daran, dass der wahre Täter zur Rechenschaft gezogen werde. „Ich finde es gut, dass sie keine Rache übt. Sie ist zu klug. Sie versteht. Vielleicht wird sie später sogar verzeihen können“, interpretiert Senta Berger ihre Figur.

Und noch etwas zeigt dieser außergewöhnliche Film: Die Schauspielerin Sagmeister sucht nicht nur nach dem wahren Mörder, sondern sie emanzipiert sich auch vom fremdbestimmten Selbstbild ihrer Person. Sie will ihre Wirkung auf andere nicht länger zum Sinn ihres Lebens machen. „Am Beispiel des Schauspielerberufs kann besonders gut vermittelt werden, dass diese Wirkung auf andere nicht das Entscheidende im Leben sein sollte“, betont Kleefeld. Gegen Ende ist Sagmeister da, wo Berger Reihen-Figur Prohacek schon immer ist: „Denken Sie, was Sie wollen – es ist mir egal.“ (Text-Stand: 8.4.2009)

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Fernsehfilm

WDR

Mit Senta Berger, August Zirner, Caroline Peters, Victoria Trauttmansdorff

Kamera: Rainer Klausmann

Schnitt: Andrea Mertens

Musik: Annette Focks

Produktionsfirma: Odeon TV

Drehbuch: Norbert Ehry

Regie: Isabel Kleefeld

Quote: 5,87 Mio. Zuschauer (18,8% MA)

EA: 08.04.2009 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
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