Über Duisburg liegt Melancholie – und im längst still gelegten Stahlwerk eine Leiche im Brautkleid. „Schicht im Schacht“ heißt sehr passend der neue „Schimanski“. Die Vergangenheit lebt wieder auf, auch ein Mord, den der Schmuddelbulle in seiner aktiven Laufbahn nicht aufklären konnte, kommt wieder auf den Tisch. Die alten Zeiten werden beschworen mit so mancher Träne in den Augenwinkeln. Und Horst Schimanski mittendrin – mit dem berühmten Parka, dem ewigen Fast Food und der Bierdose in der Hand. Sogar eine Tür tritt er wieder mal ein. Ganz der Alte oder doch ein alter Mann?
Götz George wird am Mittwoch 70. Seinem Schimmi sieht man es nicht an. Sicher, er ist nachdenklicher geworden, altersweise. „Er ist mit mir alt geworden, also brauche ich nichts zu erspielen“, sagt George. „Sein Körper und auch sein Geist reduzieren sich von selbst; er geht vorsichtiger mit sich um und schließt mit dem einen und anderen Menschen seinen Frieden.“ Aber wenn ihm etwas wichtig ist, bleibt er dran. Wie bei dem Fall, bei dem er vor Jahren versagte. Eine junge Frau ist damals getötet worden. Dem des Mordes Verdächtigen konnte nichts nachgewiesen werden. Ein Slip steckte damals im Mund der Toten. Genau so wie bei dem aktuellen Frauenmord. Seltsamerweise ist auch diese Frau mit demselben Mann befreundet, wie das erste Opfer.
„Schicht im Schacht“ erzählt eine spannende Geschichte vor dem Szenario eines langsamen Verfalls. „Für viele ist der Ruhrpott mehr als Nostalgie – das ist eine Lebenseinstellung“, sagt der Vater des ersten Mordopfers. Weinend sitzt er vor den Filmen über die Streiks gegen die Schließung der Stahlwerke. Schimanski ist ein Bruder im Geiste, im Handeln aber bleibt er ein Aktivposten. Liebevoll ausgesperrt von seiner Herzallerliebsten, sieht er noch immer Hoffnung – für sich, seine Liebe, seine Heimat und die Menschen, die dort leben. Man darf seine Träume niemals aufgeben, sagt er einer jungen Frau, die sich mit Dealen Geld verdient, statt sich um eine Lehrstelle zu bemühen. „Du bist wie dieses Viertel, deine Zeit ist vorbei, aber du akzeptierst es nicht“, heißt es nicht umsonst im Film. „Schimanski ist immer eine Liebes-Erklärung an das Ruhrgebiet“, so George. Die Menschen hier gefallen ihm. „Sie sind schnörkellos, uneitel und liebenswert – eine Verbindung mit ihnen ist eine leichte Aufgabe.“
Wie schafft man es als „Schimanski“-Laie, mit George, der nicht nur Horst Schimanski, sondern auch den Ruhrpott wie seine Westentasche kennt und zudem nicht gerade als pflegeleichter Schauspieler gilt, den 44. Fall zu drehen? Thomas Jauch hatte Muffensausen vor dem Dreh und hat sich noch mal einige „Schimanski“-Folgen zu Gemüte geführt. „Ich wollte den Charakter intus haben“, sagt der „Tatort“-Spezialist. „Man muss die Figur ja nicht neu erfinden, man muss sie vielmehr in ihrer Entwicklung sinnvoll weiter erzählen.“ Auch George half ihm gelegentlich auf die Sprünge. So gibt es eine Szene im Film, in der er einen Junkie mit Überdosis das Leben rettet. Autor Jürgen Werner wählte die medizinisch richtige Rettungsmethode: Mund-zu-Mund-Beatmung. Im Film sieht nach der Intervention Georges anders aus. Jauch: „George klärte uns auf, dass Schimanski das niemals so machen würde. Und deshalb haut er nun dem jungen Mann auf den Rücken.“ (Text-Stand: 20.7.2008)