1991 flog er davon. Jetzt landet er wieder, der Bulle, der einst den Kommissar vom Mief des Beamtenbüros befreite. Schimanski, der Harte mit dem weichen Herzen, der Instinktmensch, der seinen gestählten Körper zehn Jahre und 29 „Tatorte“ lang in einen Schmuddel-Parka steckte, darf sich nun mit Spezialaufgaben im Grauzonenbereich seine dürftige Beamten-Frührente aufbessern. Gleich mit drei Sonntags-„Schimanskis“ in Folge startet die ARD kräftig durch… Schimanski hat sich nach Belgien abgesetzt; dort lebt er auf einem Hausboot und dilettiert als Hobby-Boxtrainer. Dass ihn die karrieresüchtige Staatsanwältin Bonner wieder nach Duisburg kriegt, liegt allein am Schicksal des Ex-Kollegen Thanner. In einem blutigen Bandenkrieg im Ruhrgebiet gehörte er zu den Opfern. Klar, dass da Schimmi ran muss. Vor allem, weil scheinbar die Polizei selbst mit in die Vorfälle verwickelt ist. Und so darf er wieder fluchen, seine berühmten Stammelsätze loswerden, den beliebten Knackhintern zeigen, über fahrende Autos springen und sich ein Mal pro Folge k.o. schlagen lassen
Seine blauen Augen leuchten, sein Bizeps zuckt – Schimanski ist zurück! Für Götz George ist es eine doppelte Rückkehr: er schlüpft nicht nur nach sechs Jahren das erste Mal wieder in die Rolle, die ihn zum deutschen Superstar machte, sondern er tritt nach Kinoerfolgen wie „Schtonk“ oder „Totmacher“ und TV-Einzelstücken wie „Der Sandmann“ seinem Publikum nun wieder regelmäßig unter die Augen. „Ich wollte wieder an die Basis, in die Wohnstuben zurück“, so George. „Es ist falsch zu glauben, nur mit Kinofilmen könne man eine Popularität aufbauen und halten.“ Zur Pflege der Karriere gehörten ebenso TV-Rollen.
Die Schlote rauchen wieder. Und rot sind die Sonnenuntergänge am Duisburger Hafen. Die Gesinnung in der Ästhetik versteckt hat Regisseur Josef Rusnak („Die Partner“) im Auftaktfilm „Die Schwadron“. Action, ausgefallene Optiken, rasanter Schnitt, Sinnlichkeit gegen reaktionäres Selbstjustizgebaren. „Mich interessieren Filme, die aufregend und sinnlich sind. Ich brauche nicht alles zu verstehen, Hauptsache sie sind spannend“, betont George. Und er spielt damit auf die Umschneide-Arien des Films an. Rusnak musste auf Drängen des WDR zweimal den 90-Minüter umschneiden. „Die dritte Fassung ist nun normal verstehbar“, so George. „Ich habe für die unverständlichere, aber filmisch reifere Urfassung argumentiert.“
Kritik: „Tatort: Die Schwadron“ (ARD, 9.11., 20.15 Uhr)
Flüche, Fausthiebe und Dosenbier – der Mythos des Macho-Bullen mit Herz lebte bereits auf in den ersten 90 Minuten des neuen „Schimanski“. Auch Genre-Ironie war dabei, als er sich einen seiner eingemotteten Parkas aus dem Schrank griff und über die nackte Haut streifte. Schimmi, das ist und bleibt vor allem virile Sinnlichkeit und Schmuddel-Image. In „Die Schwadron“ kam hinzu ein Hang zur Reife. Wie er Schrader oder Thanners Tochter unter seine Fittiche nahm, hatte schon etwas von einer Vaterfigur, überdeckte die Anteile zum Heißsporn, der hier und jetzt das Übel aus der Welt hinausprügeln will. Ein besonnener Schimanski? Das dürfte sich bald ändern, versprechen die Produzenten. Auf jeden Fall war es keine leichte Aufgabe, dieser 30. Krimi mit dem Duisburger Ex-Bullen.Josef Rusnaks flotter Action-Krimi mit kurzen besinnlichen Passagen musste zu vielen Ansprüchen gerecht werden: den Mythos reaktivieren, das Thanner/Feik-Schicksal plausibel machen, neues Personal einführen und noch eine spannende Geschichte erzählen. Keine Frage, der Film erfüllte die meisten seiner Funktionen gerade so eben. Unlängst die Premiere der beiden neuen WDR-„Tatort“-Kommissare wirkte dagegen wesentlich homogener und flüssiger in der Erzählung. Der Mittelteil des Films zerfiel in zahllose Actionszenen, Aufklärung gab es erst nach dem spannungslos geschnittenen Showdown. Die Polizei als Racheengel, organisierte Selbstjustiz bei der Duisburger Polizei – auch wenn Schimanski-Krimis immer schon zu Märchen mit Message tendierten, so dick hätte es zum Auftakt nicht gleich kommen müssen! Angenehm dezent eingeführt indes: Schrader, der mögliche Kollege für weitere Fälle. Fazit: so lala. Wetten, dass die beiden kommenden Sonntags-Schimmis besser werden! tit.
Regisseur Rusnak wollte Schimanski nicht neu erfinden, aber neu verstehen. Seine Absicht: „den 68er mit dem Zeitgeist der späten 90er Jahre aufladen.“ Das bedeutet auch: Gewalt ins Spiel zu bringen. „Ich habe versucht, Gewalt zu zeigen, wie sie bei uns tagtäglich stattfindet“, sagt Rusnak. George weiß zwar, dass Geschichten oft Gewalt forderten, plädiert aber für einen „pfleglichen“ Umgang mit solchen Gewaltszenen. Und Schimmis Rämpeleien? „Zu dieser körperbetonten Figur gehört einfach manchmal eine Schlägerei oder ein blaues Auge.“
Denkt man an Schimanski, denkt man zugleich auch an Thanner, den hyperkorrekten, adrett gekleideten Kopf-Beamten, und den vor zwei Jahren verstor-enen Eberhard Feik. Thanner fehle George weniger als Feik; „ich vermisse vor allem den Menschen, den Humor, die Ansprache“, „äußert sich George mit derselben Nachdenklichkeit, mit der Schimanski am Sonntag seines ermordeten Kollegen gedenken wird. Noch mehr als früher also wird Schimmi als Einzelkämpfer agieren. Daran wird auch Laptop-Bulle Schrader (Steffen Wink) nicht viel ändern, denn ein gleichberechtigter Partner soll er – laut WDR – zunächst nicht sein.
„Die Schwadron“ ist eine Pflichtübung. Irgendwie musste das Drehbuch den Mythos wieder auf die Piste schreiben. Nicht leicht bei einem solch aufsässigen Helden mit pubertärem Freiheitsdrang. Also durfte beim ersten Film der Mythos nicht gänzlich reaktiviert werden. „Er muss Thanners Tod verkraften, die Tochter auffangen. Die Figur wurde dramaturgisch stark belastet, bekam etwas Nachdenkliches, Quälerisches“, erklärt George. Künftig wünscht sich George seinen „Bullen auf Bestellung“ als eine Figur mit allen erdenklichen Facetten: „traurig, lustig, aufgeregt, spannungsgeladen, hart, weich; er muss die Leute überraschen können.“ Die Freude an Schimmi, für George eine zeitlose Figur, die er solange es die körperliche Verfassung erlaube, spielen möchte, kam erst so richtig wieder beim zweiten Film, „Blutsbrüder“. Eine grandios-ironische „Flucht-in-Ketten“-Variante und zugleich ein atmosphärisch-sentimentales Road-Movie mit einem famosen Christoph Waltz. „Da ist der neue Schimanski weitgehend der alte“, so dessen Regisseur Hajo Gies, der elf „Tatorte“ mit George drehte. „Allerdings überlegt er es sich jetzt bisschen länger, bis er eine Tür eintritt.“