Schattengrund

Josefine Preuß, Steve Windolf, Elisabeth Herrmann, Dror Zahavi. Mystery-Missbrauchs-Spuk

Foto: ZDF / Reiner Bajo
Foto Thomas Gehringer

Märchenhafter Harz und ein Geheimnis aus der Vergangenheit: Eine junge Frau erbt das Haus ihrer verstorbenen Tante und findet die Wahrheit über ein tragisches Unglück heraus, das sie als Kind heraufbeschworen haben soll. „Schattengrund“ (ZDF / Constantin Television) nach dem gleichnamigen Roman von Elisabeth Herrmann bietet familientauglichen Grusel in stimmungsvoller Winter-Atmosphäre, wenn auch mit etwas angestaubten Effekten. Die Geschichte kommt erst spät in Schwung, und die Umsetzung des Jugendromans als Dorfkrimi im Mystery-Gewand wirkt nicht vollends überzeugend.

Nicola (Josefine Preuß) hat als Kind in den Ferien regelmäßig ihre Tante Kiana im Harz besucht. Nun ist Kiana tot und vererbt der von ihr so geliebten „kleinen Winterhexe“ einen Besen, einen Stein aus Silbererz, eine Streichholzschachtel – und ihr Haus in dem Dorf Siebenlehen. Dort muss in der Vergangenheit allerdings etwas Schlimmes geschehen sein. „Begrabe die Vergangenheit oder lebe mit ihr“, schreibt die Tante in ihrem Abschiedsbrief und gibt Nico (und dem Publikum) noch den Hinweis mit auf den Weg: „Es war nie deine Schuld.“ Nico erinnert sich nur noch, dass sie sich bei ihrem letzten Aufenthalt verlaufen hatte und schwer krank geworden war. Nun kehrt sie erstmals zurück nach Siebenlehen und wird alles andere als freundlich empfangen. Einzig Leon (Steve Windolf) hält zu ihr.

Vor sechs Jahren erschien der Jugendroman „Schattengrund“ von Elisabeth Herrmann, die nun auch das Drehbuch für die ZDF-Verfilmung geschrieben hat. Aus der 18-jährigen Buchheldin Nicola wird im Film eine Endzwanzigerin, und damit soll aus dem Jugendstoff, in dem es auch um das Erwachsenwerden und die erste Liebe einer jungen Frau ging, ein Mystery-Thriller fürs Primetime-TV werden. Die tief verschneite Winterlandschaft, die düstere Enge des Tals und die alten Stollen aus der längst verflossenen Bergbau-Ära liefern eine stimmungsvolle Kulisse. Der Harz, „das dunkle Herz Deutschlands“ (Herrmann), hat in diesem Genrefilm eine tragende Rolle. Dazu setzt die Kamera von Gero Steffen das vererbte Haus, das Nico nach langer Zeit mal wieder betritt, als dunklen, unheimlichen Ort in Szene. Stimmungsvoll auch das Licht, das das Haus bei Kerzenschein in eine märchenhaft anmutende Traumkulisse verwandelt.  Es klappert, knarrt und ächzt, aber der Grusel bleibt familientauglich auf harmlosem Niveau. Die Geräusche, die Nico im Haus erschrecken, stammen von einer Katze, immerhin keine schwarze. Denn das ganze Dorf scheint Nico für eine böse Hexe zu halten. In der Bäckerei nehmen die Kunden bei ihrem Erscheinen Reißaus. Die alte Frau Urban (Marie Anne Fliegel), Leons Großtante, der man selbst zutrauen würde, einst auf einem Besen rund um den Brocken geflogen zu sein, keift ihr ins Gesicht: „Du bist verflucht.“ Und auch Maik (Daniel Zillmann), der anscheinend unvermeidliche Dorftrottel, wirkt bei der ersten Begegnung mit Nico sehr aufgebracht: „Du warst es. Wegen dir hat der Berg gewackelt.“

SchattengrundFoto: ZDF / Reiner Bajo
Leon (Steve Windolf) versucht, Nicola (Josefine Preuß) das seltsame Verhalten der Dorfbewohner zu erklären. Die Chemie stimmt zwischen den beiden, auch ohne die übliche Liebelei!

Die traumhafte Winterlandschaft, die märchenfilmhafte Atmosphäre – das lässt sich gut anschauen, doch das ganze Geraune, die düsteren Andeutungen von tot vom Himmel fallenden Vögeln und Ähnlichem sind auch ein etwas angestaubter Spuk, der, je länger die Heimlichtuerei dauert, immer weniger Spannung entfaltet. Das konventionelle Spiel mit den Elementen des Horror-Genres passt wohl besser zu einem Kinder- und Jugendfilm, aber für einen „Harz-Thriller“ und „Fernsehfilm der Woche“, der auf der Mystery-Welle reiten will, ist der Film über weite Strecken nicht „erwachsen“ genug. Regisseur Dror Zhavi kostet den sehr gewollt wirkenden Gestus vom mythologisch aufgeladenen Harz lange aus, zu lange. Schwer verständlich zum Beispiel, wieso sich Leon um Nico kümmert, aber sie so lange im Unklaren darüber lässt, was man ihr im Dorf vorwirft. Zwischen den beiden Figuren entwickelt sich kaum Spannung und wenig Nähe. Auch jeder Anflug von Erotik wird vermieden, und die slapstickartige Szene zu Beginn, als Nico vor Leons Auto hüpft und mit dem Gesicht im Schneematsch landet, mag zwar zum Schauspiel-Profil von Josephine Preuß passen, macht aber ihre Figur Nico für einen Moment unnötig lächerlich.

In Nicos Träumen taucht ein blondes junges Mädchen auf, deren Gesicht angeblich dem Antlitz der Heiligen Barbara ähneln soll, was auch eher behauptet wirkt. Aber nun kommt die Geschichte immerhin in Schwung. Der Pfarrer, von Oliver Stritzel schön abgründig gespielt, erklärt Nico endlich, was damals geschah: Mitten im kältesten Winter sei sie mit ihrer Freundin Fili (Charlotte Banholzer) davongerannt. Fili wurde erfroren im Silberstollen gefunden, während Nico nach vier Tagen im Koma überlebte. Nico wird nun zur Ermittlerin, zu einer jungen Frau, die unerschrocken die Wahrheit ans Tageslicht bringen will. Eine Kinderzeichnung bringt sie auf die Spur: Hinter dem Mystery-Spuk verbirgt sich offenbar ein Missbrauchs-Fall, der in einem tragischen Unglück endete. Die Suche nach dem Täter führt in den finsteren Stollen zurück, wo es konsequenter Weise noch einmal gruselig wird. Erst spät weiß „Schattengrund“, der etwas unentschlossen zwischen harmlosem Horror-Film und Dorf-Krimi schwankt, zu fesseln. (Text-Stand: 20.11.2018)

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Fernsehfilm

ZDF

Mit Josefine Preuß, Steve Windolf, Daniel Zillmann, Marie Anne Fliegel, Oliver Stokowski, Tanja Schleiff, Oliver Stritzel, Rüdiger Vogler

Kamera: Gero Steffen

Szenenbild: Gabriele Wolff

Kostüm: Katja Pothmann

Schnitt: Fritz Busse

Musik: Stefan Hansen

Redaktion: Günther van Endert

Produktionsfirma: Constantin Television

Produktion: Kerstin Schmidbauer, Oliver Berben

Drehbuch: Elisabeth Herrmann – nach ihrem eigenen Roman

Regie: Dror Zahavi

Quote: 6,36 Mio. Zuschauer (20,4% MA)

EA: 10.12.2018 20:15 Uhr | ZDF

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