Maria Theiss ist eine gute Polizistin, aber sie ist unbeliebt. Lange war sie die „heilige Jungfrau“, seit sie ihren korrupten Partner angezeigt hat, nennt man sie „Judas mit Titten“. Jetzt wartet ein weiterer konfliktreicher Job auf sie: Sie soll ihren neuen Kollegen ausspionieren, die Polizeilegende Edgar Feindt. Sein langjähriger Partner ist auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen. Maria soll Licht in die Sache bringen. Hat er etwas mit dem Tod seines Partners zu tun? Ist Feindt vielleicht auch korrupt? Oder nimmt er das Recht zu radikal in die eigenen Hände? Parallel müssen die beiden auch noch einen Serienmörder und Kinderschänder jagen, der Mädchen gefangen hält und sie verdursten lässt. Zu allem kommt erschwerend hinzu, dass Feindt Marias Ausbilder und Liebhaber war.
„Schatten der Gerechtigkeit“ ist ein geradlinig erzählter, spannender Cop-Thriller. Von der ersten Minute an sind es – neben der klaren, genretypischen Setzung – die Bilder, die einen in den Film hineinziehen. Hans-Günther Bücking, Regisseur und Kameramann in Personalunion, liebt eine kühle, moderne Ästhetik und eine urbane Bildsprache, in der der Einzelne immer ein wenig verloren wirkt. Auch die Schauspieler/Figuren sind Bild gewordene Archetypen. Zwar hat die Heldin einen Freund – und der ist auch noch ihr Vorgesetzter und will mit ihr eine Familie gründen. Doch Alltag wird in diesem Film nicht versucht, nachzuspielen.
Feindt ist ein Stadt-Cowboy, ein „Dirty Edgar“, der mit den Gesetzen auf Kriegsfuß steht. „Tu es schnell, tu es hart und tue es endgültig“, heißt seine Maxime. Mit dem durchschnittlichen Krimi-Realismus hat das wenig zu tun. Je mehr das Leben zur Abstraktion gerät, zu einem Kräftemessen zwischen Mann und Frau, umso besser auch für die Story, in der es nicht nur um die simple Rettung in letzter Minute geht, sondern auch um das, was passieren kann, „wenn Recht und Gerechtigkeit auseinander fallen und welchen Preis wir dann bereit sind, dafür zu bezahlen“, betont Drehbuchautor und Grimme-Preisträger Stefan Kolditz.
Foto: Sat 1 / Wilma Roth
Man mag von Yvonne Catterfelds schauspielerischen Qualitäten halten, was man will, in „Schatten der Gerechtigkeit“ kommt man nur selten auf die Idee, sich eine andere Hauptdarstellerin zu wünschen. Das sogenannte „Anforderungsprofil“ erfüllt sie zu 86 Prozent: Ihr klarer Blick ist das stärkste Überzeugungsmittel – Maria ist schließlich eine, der nichts entgeht. Allein ihre Körperlichkeit ist nicht ganz die, die man von einer Superpolizistin erwartet. Gegen Richy Müller aber hat Catterfeld keine Chance. Der einsame Wolf kostet ihn (k)ein Lächeln. Ein bisschen So-Sein, wie man ihn kennt, gelassen, konzentriert, cool, ein kurzes Lächeln im richtigen Moment – und sein Edgar Feindt, den seine beste Schülerin nicht vergessen kann, steht lebendig im Raum. Dieser Cop-Thriller macht deutlich, was in den „familiären“ Ermittler-Krimis Marke „Tatort“ verloren geht.