Ein Bergsteiger hängt leblos in einer Felswand. Der junge Polizist und Extremkletterer Thomas Hafner soll helfen, den Mann zu bergen. Die Rettungsaktion misslingt. Ein Kollege macht einen Fehler. Um ihn nicht zu belasten, schweigt Hafner. Da Fremdverschulden nicht auszuschließen ist, interessiert sich auch die Kripo für den Unfall, der ein Mordfall sein könnte. Hafner beteuert, dass er den Toten nicht erkannt habe, obwohl es nicht stimmt. Er verschweigt außerdem, dass der Bergsteiger beim Bergungsversuch noch gelebt hat. Die Kommissarin Hanna Weiß wundert sich, dass die Dörfler sich dem jungen Polizisten gegenüber so feindselig verhalten. Es wird behauptet, er habe den Verunglückten, bei dem es sich um den vermissten Bruckmeier handeln dürfte, mit Absicht fallen gelassen. Ein Schandmal prangt wenig später auf der Scheune der Hafners. Der Vater von Thomas Hafner hat vor Jahren Susanne Bruckmeier vergewaltigt. Seine Mutter hat sich daraufhin das Leben genommen. Jetzt muss es wie damals sein: der Sohn des Vergewaltigers muss wieder der Schuldige sein. Allein die Kommissarin glaubt an die Unschuld des attraktiven jungen Mannes.
Auch wenn Vieles im Plot von „Schandmal: Der Tote im Berg“ auf dem Zufallsprinzip basiert – der Doppeltitel ist kein Zufall: Er ist symptomatisch für diesen unausgereiften TV-Thriller, erinnert er doch an die Tradition der TV-Movie-Doppeltitel aus den 1990er Jahren. Damals wäre ein solcher Film bei Sat 1 gut aufgehoben gewesen, Herbert Knaup hätte dieselbe Rolle gespielt – und der Berg und die Dörfler hätten verschwörungsvoll gerufen. Was man damals noch nicht gehabt hätte: eine so beeindruckende, ungeschminkte Katja Flint und einen so überaus charismatischen männlichen Hauptdarsteller wie Max Riemelt. Er gibt wie in Dominik Grafs „Im Angesicht des Verbrechens“ den aufrechten jungen Mann, von dem der Zuschauer von Anfang an weiß, dass er keine Schuld trägt. Dennoch bleibt er der Hauptverdächtige, der in eigener Sache ermittelt und dabei der Kommissarin näher kommt, als es ihr lieb sein kann. Dieser seltsam in sich gekehrte Thomas Hafner ist es, der die Neugier an der Geschichte lange Zeit wach hält, bevor sie das 1000 Mal gesehene Räuberpistolen-Finale erlebt. Doch auch schon davor leidet das Bergdrama unter seiner thematischen Überfrachtung: Brustkrebs, Schandmal, Vater-Sohn-Problematik, Ödipussi, eine Vergewaltigung, aus der ein Kind hervorgeht. Kurz vor Schluss gibt es noch ein Schädelhirntrauma. Fehlt nur noch Inzest!
Etwas „Echtes“ aber erzählt der Film nicht. Er ist die pure Dramaturgie. Grobes Genre-Schnitzwerk, obwohl er – bis auf die Action-Szenen, beispielsweise eine lächerliche Autoverfolgung auf einer Bergstraße – handwerklich gut gemacht ist. Kritiker schreiben in solchen Fällen gern Sätze wie „die Schauspieler spielen über die Schwächen des Drehbuchs hinweg“ oder „die Inszenierung rettet den Film vor dem Absturz“. Für „Schandmal“ indes ergibt sich ein Paradox: die Diskrepanz zwischen Drehbuch und Inszenierung/Spiel ist so extrem groß, dass der Film völlig auseinander fällt. Thomas Bergers ambitionierte Regie und das sensible Spiel von Flint und Riemelt deuten eine Tiefe an, die die triviale Geschichte nicht besitzt. In jedem Bild spiegelt sich so die ganze Hohlheit der Geschichte umso deutlicher.
Foto: ZDF / Jürgen Olczyk