Die Einstellung dauert fünf Sekunden und ist somit eigentlich viel zu rasch vorbei, um den Inhalt angemessen realisieren zu können. Und trotzdem ist sie typisch: nicht nur für diesen Film, sondern für die gesamte ARD-Reihe „Acht auf einen Streich“. Vordergründig bieten die Filme scheinbar werkgetreue Adaptionen der Grimm’schen Märchen, aber wenn man genau hinschaut, entdeckt man, mit wie viel Liebe zum Detail die Geschichten umgesetzt wurden. In besagter Szene zeigt der König seinem Sohn die Porträts diverser Prinzessinnen im heiratsfähigen Alter, doch der Prinz lehnt sie alle ab: Er liebt sie nicht. Dabei handelt es sich ausschließlich um Berühmtheiten: Auf den Gemälden erkennt man unter anderem Botticellis Venus, die Mona Lisa und Vermeers Mädchen mit dem Perlenohrring.
Den König spielt Gottfried John, der nicht nur stimmlich eine treffende Besetzung ist; schließlich hat er auch schon mal Julius Caesar verkörpert. Die Gier des Königs wird der schönen Müllerstochter Lisa (Julie Engelbrecht) zum Verhängnis: Weil ihr Vater beim Flirt mit der Hofbäckerin geprahlt hat, sie könne Stroh zu Gold spinnen, lässt der seit dem Ableben der Gattin wie verwandelte Regent das arme Mädchen einsperren und mit dem Tode bedrohen; dabei hat sie sich gerade erst in einen schmucken Reitersmann verguckt, nicht ahnend, dass es sich dabei um niemand anderen als den Prinzen (Kristian Kiehling) handelt. Spätestens jetzt weiß man, um welches Märchen es sich handelt: Der Kobold Rumpelstilzchen steht Lisa bei und trotzt ihr am Ende das finstere Versprechen ab, ihr erstes Kind werde ihm gehören.
Trotz Gesichtsgestrüpps ist Robert Stadlober eigentlich zu hübsch für den dämonischen Unhold; sein hysterisches Gekicher passt dafür um so besser zu der Rolle. Treffend besetzt ist auch das Liebespaar, bei dessen Szenen Mütter und Töchter gemeinsam schmachtend seufzen dürfen. David Ungureit hat die Geschichte geschickt erweitert. Im Märchen ist es der König selbst, der die schöne Müllerstochter ehelichen will, aber der Prinz passt viel besser zu ihr. Man kann sich lebhaft ausmalen, wie viel Spaß Ungureit allein beim Ausdenken der Szene hatte, in der der Königssohn den Wachen ein Schnippchen schlägt und dem Stubenarrest entflieht. Faszinierend ist auch die Idee, mit der Goldgier des Königs, der auf das Edelmetall lebensbedrohlich allergisch reagiert, eine gewisse Todessehnsucht anzudeuten. Dafür lässt der Film offen, wie der Prinz, nachdem er tollkühn die Fassade erklettert hat, wieder herunterkommt, und ein Satz wie Rumpelstilzchens Ausruf „Jetzt wird’s mir echt langsam zu blöd“ steht auch nicht bei Grimm. Aber das wird die Zielgruppe nicht weiter stören.