Die „Rosamunde Pilcher“-Reihe im ZDF basiert größtenteils auf Kurzgeschichten aus dem Nachlass der britischen Schriftstellerin, und oft genug taugt auch die Handlung bloß für einen Kurzfilm. Die Qualität der einzelnen Episoden ist in der Regel eine Frage der Verpackung, und die ist aufgrund redaktioneller Vorgaben und einfallsloser Umsetzungen nicht selten höchst unoriginell; erst recht bei einem Regisseur wie Marco Serafini, der seit Jahren nur noch für das „Herzkino“ im ZDF arbeitet. Umso angenehmer, dass „Meine Cousine, die Liebe und ich“ optisch über weite Strecken aus dem üblichen Rahmen fällt: Irgendwie ist es Serafini gelungen, ohne die sonst unvermeidlichen Kameraflüge über Landschaft und Küste auszukommen. Zumindest in der ersten Hälfte gibt es zudem kaum Aufnahmen vom Meer, und tatsächlich kommt nicht mal ein Cabrio vor. Dafür beginnt praktisch jeder zweite Szenenwechsel mit der immer wieder gleichen Einstellung einer Schafherde vor einem Farmgebäude, was immerhin ein bisschen an „Shaun das Schaf“ erinnert. Schafe gehören ebenso zu den obligaten Zutaten der Pilcher-Filme wie eine Musik (Patrick M. Schmitz), die als akustisches Verkehrsschild rechtzeitig auf bevorstehende Emotionen einstimmt.
Die Geschichte ist immerhin sympathisch: Die junge Holly Shaw (Valerie Huber), Tochter eines Schafzüchters, hat einen Liebesroman geschrieben. Nach einer Lesung lässt Journalist Aaron Kingsley (Max Befort) kein gutes Haar an der Geschichte, und das ist bloß das erste Glied einer negativen Ereigniskette; unter anderem wird Holly die Tasche geklaut. Frustriert verbringt sie die Nacht auf der Parkbank. Als sie am nächsten Tag heimkommt, erwarten ihre erleichterten Eltern sie mit einer Schlagzeile der örtlichen Zeitung: Weil ihre Tasche am Flussufer gefunden worden ist, glaubt die Polizei, sie habe sich umgebracht; Aaron hat einen entsprechenden Aufmacher geschrieben. Immerhin lobt er Hollys Buch nun in den höchsten Tönen, was sich prompt positiv auf die Verkaufszahlen auswirkt. Das wiederum bringt ihren zwielichtigen Verleger auf eine Idee: Holly soll sich noch eine Weile tot stellen. Weil die Familie dringend Geld braucht, lässt sich die junge Frau darauf ein. Als Aaron für einen weiteren Bericht auf die Farm kommen will, gibt sich Holly mit Unterstützung ihrer Freundin Alicia (Meriel Hinsching) kurzerhand als ihre (bis dahin nicht existente) Cousine Rachel aus; Holly hat sich angeblich eine kreative Auszeit genommen.
Foto: ZDF / Jon Ailes
Normalerweise scheitern solche Rollentauschgeschichten schon an der ersten Hürde: weil niemand auf die Verkleidung reinfallen würde. Das ist diesmal zum Glück anders. Während es in vergleichbaren Filmen genügt, dass eine Frau ihre Brille absetzt, um vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan zu mutieren, unterzieht Alicia ihre Freundin einem echten „Make over“-Prozess. Mit offenen und gefärbten Haaren, entsprechend geschminkt und flott gekleidet verwandelt sich die verhuschte Holly glaubwürdig in eine attraktive moderne Frau, und weil Kleider Leute machen, legt sie auch ihre Schüchternheit ab. Kein Wunder, dass nicht nur Aaron, sondern auch der Nachbarsohn angetan ist: Holly war als Teenager unsterblich in den zwei Jahre älteren Vincent (Jeroen Engelsman) verliebt, aber der hat dann in Amerika studiert; diese Geschichte hat sie, allerdings mit Happy End, in ihrem Roman beschrieben. Natürlich folgt das Drehbuch dem Muster vieler Romanzen dieser Art: Eine Frau muss sich zwischen zwei Männern entscheiden. Identifikationsfiguren für den älteren Teil des Publikums sind Hollys Eltern: Vater Russell (Max Gertsch) will hartnäckig an der Familientradition festhalten und weigert sich, die vor der Pleite stehende Farm aufzugeben. Ein Angebot von Vincents Vater (David C. Bunners), das Anwesen zu übernehmen, lehnt er erst recht ab, denn aus den Freunden sind Feinde geworden, seit sich Dana (Katharina Abt) einst für Russell entschieden hat; aber für solche Konflikte findet sich im beschaulichen Cornwall stets eine Lösung.
Die Pilcher-Geschichten von Uschi Müller waren bislang ohnehin selten wirklich originell, aber die Verfilmungen – allen voran „Erdbeeren im Frühling“ (2016) und „Fast noch verheiratet“ (2017) – waren nicht zuletzt wegen der jeweiligen Hauptdarstellerin dennoch sehenswert. Das gilt auch für „Meine Cousine, die Liebe und ich“. Die Österreicherin Valerie Huber ist zwar keine Anfängerin mehr und auch keine Neuentdeckung fürs deutsche Fernsehen, aber eine derart exponierte (Doppel-)Rolle hat sie bislang noch nicht gespielt. Ähnlich gelungen ist die Besetzung der männlichen Hauptrollen. In den meisten „Herzkino“-Romanzen dieser Art ist früh erkennbar, welcher Kandidat das Rennen machen wird, weil sich einer der beiden aufgrund moralischer Verfehlungen über kurz oder lang selbst disqualifiziert; außerdem sieht der andere meist auch besser aus. Vincent und Aaron wie auch Engelsman und Befort sind zwar völlig unterschiedliche Typen, aber beide sind auf unterschiedliche Weise interessant und attraktiv. Außerdem macht es Müller ihrer Heldin nicht leicht: Der anfangs arrogante Aaron, der sich von Holly am Schluss ein „Belegexemplar“ signieren lässt (gemeint ist ein Rezensionsexemplar), hat Holly zwar ziemlich abgekanzelt, verdient aber mildernde Umstände, weil er emotional blockiert ist, seit seine frühere Freundin einen Suizidversuch unternommen hat. Vincent wiederum ist zwar fasziniert von Rachel, aber Holly hat er immer bloß als guten Kumpel betrachtet. Ein Inszenierungsdetail lässt dennoch früh erahnen, dass Aaron am Ende das Rennen machen wird: Die immer innigeren Gespräche mit Rachel beziehungsweise der schließlich enttarnten Holly finden in der zweiten Filmhälfte grundsätzlich mit Meerblick statt. (Text-Stand: 5.10.2019)