„Man weiß nie, wie’s ausgeht“, sagt irgendwann in diesem Film ein Mann zu einer Frau. Für die Sonntagsfilme im ZDF gilt dieser Satz definitiv nicht; das garantierte Happy End dürfte großen Anteil am Erfolg der „Herzkino“-Geschichten haben. Wie sie ausgehen werden, ahnt man meist schon gleich zu Beginn. „Erdbeeren im Frühling“ ist da keine Ausnahme: Bereits die ersten Bilder machen deutlich, wer die Schurkin der Geschichte ist. Die Handlung beginnt mit einer Trauerfeier für den millionenschweren Verleger Parker. Bei der Testamentseröffnung fällt Tochter Lilly (Zoe Moore) aus allen Wolken: Ein Vaterschaftstest hat angeblich ergeben, dass Parker sie nicht gezeugt hat. Die junge Journalistin wähnte sich bereits an der Spitze des Verlags, doch Haupterbin und neue Verlegerin ist nun ihre intrigante Stiefmutter Nora (Mimi Fiedler), die ihren Mann auch zu dem Gentest überredet hat. Lilly hat nun die Wahl zwischen einer großzügigen Abfindung oder einer Anstellung im Verlag. Dort müsste sie aber bei der Traditionszeitschrift „Country Lady“ ganz unten anfangen und sich um die Leserzuschriften kümmern. Ein Dasein als „Kummerkastentante“ ist so ungefähr das letzte, was sich die ehrgeizige Journalistin als Karriereanfang vorgestellt hat. Trotzdem schlägt sie das Geld aus.
Geschickt verknüpft Autorin Uschi Müller, die zuletzt das Drehbuch zum Pilcher-Film „Argentinischer Tango“ geschrieben hat und zuvor für die Telenovela „Wege zum Glück“ tätig war, mehrere gleichwertige Erzählebenen, die allesamt einen romantischen Kern haben. In den Leserbriefen, die für das Archiv gescannt werden sollen, stößt Lilly auf einen fünfzig Jahre alten ungeöffneten Umschlag. Er enthält die Zuschrift der jungen amerikanischen Austausch-Studentin Grace, die sich bei der Erdbeerernte in ihren Kollegen David verliebt hat und nun um einen Rat bittet, denn sie ist zwischen Leidenschaft und Vernunft hin- und hergerissen: Daheim in New York wartet ein Verlobter auf sie, aber ihre Gefühle für den jungen Engländer sind deutlich stärker. Lilly wittert eine Story und nimmt Kontakt zu Grace (Gaby Dohm) auf. Die Anwältin kommt umgehend nach Cornwall, um gemeinsam mit Lilly nach ihrer einstigen großen Liebe zu suchen. Ihrem Enkel Nicholas (Philipp Danne), einem angehenden Arzt, der zufällig ebenfalls gerade in England weilt, ist das Abenteuer seiner Großmutter allerdings gar nicht recht, denn Grace ist herzkrank. Lilly dagegen hat es ihm auf Anhieb angetan, und weil es sie ebenfalls erwischt hat, geht es ihr nun genauso wie Grace vor 50 Jahren, denn eigentlich ist sie mit dem schon durch seine altväterliche Kleidung etwas steif und deutlich älter wirkenden Lord Eric (Philipp Kiwitt) liiert. Was sie nicht ahnt: Der hoch verschuldete Eric war einst mit Nora zusammen und begehrt die attraktive Witwe immer noch; und vor allem ihre Millionen. Doch wenn Nora heiratet, verliert sie das Erbe. Als Lilly auf Anraten von Nicholas einen weiteren Gentest anfertigen lässt, werden die Karten ohnehin neu gemischt.
Die Entwicklung der einzelnen Ebenen ist alles andere als überraschend; natürlich findet Grace ihren David. Aber Uschi Müller hat die Geschichte mit vielen sympathischen Details ausgeschmückt und gerade für die jungen Schauspieler einige flotte Dialoge geschrieben. Die Umsetzung allerdings ist konventionell bis einfallslos. Marco Serafini, seit einigen Jahren auf „Herzkino“-Beiträge zu „Rosamunde Pilcher“ und „Inga Lindström“ abonniert, orientiert sich bildsprachlich fast schon sklavisch an den Vorgaben der Reihe: Viele Szenenwechsel beginnen mit einem Kameraflug; stets finden sich Vorwände für malerische Luftaufnahmenbilder, meist, weil Lilly mit ihrem teuren Cabrio die Küste entlang fährt. Gerade zu Beginn gibt es bei den Dialogen einige ungelenk anmutende Zwischenschnitte, damit die Mitwirkenden „vielsagende Blicke“ werfen können. Zur altbackenen Machart passt die beliebig klingende Musik von Andreas Weidinger, auch er ein „Pilcher“- und „Lindström“-Veteran.
Dass „Erdbeeren im Frühling“ dennoch empfehlenswert ist, hat die Liebesgeschichte den jungen Darstellern zu verdanken. Zoe Moore (Jahrgang 1993), Tochter des Regisseurs Eoin Moore, hat ihre erste Hauptrolle als Teenager in dem Kinofilm „Max Minsky und ich“ (2007) gespielt. 2013 bestätigte sie ihr Talent in dem ARD-Märchen „Die kleine Meerjungfrau“. Es folgten wichtige Rollen in „Mein Sohn Helen“, „Der Himmel zwischen den Welten“ und „Wendemanöver“, einem Rostocker „Polizeiruf“ ihres Vaters. Philipp Danne, der eine durchgehende Rolle in der ARD-Vorabendserie „In aller Freundschaft – Die jungen Ärzte“ hat und schon als Prinz im „Meerjungfrau“-Märchen Partner von Zoe Moore war, hebt sich durch seine markante Spielweise wohltuend von den blassen Burschen ab, die in den Pilcher-Filmen nur selten als jugendliche Liebhaber überzeugen. Gutes Gespür haben die Verantwortlichen auch bei den von Serafini ähnlich gut geführten Nebendarstellern bewiesen; Loretta Stern zum Beispiel hinterlässt als Lillys beste Freundin und Kollegin im Kummerkastenressort einen nachhaltigeren Eindruck als die namhafteren Kolleginnen.