Kommissar Hinrichs ist‘s zufrieden. “Endlich mal wieder ein richtiger Mord.” Ein Mann, der mit dem Sterben seiner Mitmenschen reich geworden ist, ihn hat es nun selbst erwischt. Der Bestattungsunternehmer Preusler stirbt einen qualvollen Tod, eingesperrt in seiner eigenen Sauna. Die Liste der Verdächtigen ist lang, Mordmotive gibt es reichlich. Denn der Tote war einer, der die Konkurrenz im Bestattungswesen nicht immer mit sauberen Mitteln aus dem Feld schlug, und er war ein Mann, den die Frauen liebten.
Wenig Landschaft, viel Himmel – das ist Mecklenburg Vorpommern. Wenig Sonne, viel Nebel – so sieht es in der Nähe von Schwerin aus, wenn Hinrichs und sein melancholischer Kollege Törner dort ermitteln und Regisseur Andreas Kleinert für die Geschichten von Beate Langmaack die Bilder sucht. War “Verloren” ein stilles Stück über die Einsamkeit, geht es in “Winterende” um das Altwerden und das Sterben, um den Tod und die Trauer darüber. “Die Nähe zum Tod löst viel aus”, sagt Autorin Langmaack. “Und gleichzeitig ist das Sterben ein knallharter Wirtschaftsfaktor.” Die Idee zum Thema, das aus den Fernsehkrimis – trotz Mord und Totschlag – meist noch nachdrücklicher ausgeblendet wird als aus der Wirklichkeit, hatte Hinrichs-Darsteller Uwe Steimle. “Die Sterbekultur ist die älteste Kultur der Menschheit überhaupt”, betont er und versteht ihre heutige Tabuisierung nicht. “Zum Sterben gehört das Leben und die Zeit, die uns bleibt.” Dass ausgerechnet seine Figur über den Tod und damit das Leben ins Grübeln kommt, ist einer der Überraschungen in diesem sehr guten Film.
Kritik: “Polizeiruf – Winterende” (2004)
“Verloren” war einer der besten Krimis im vergangenen Jahr. “Winterende” brachte mit Henry Hübchen und Uwe Steimle, Andreas Kleinert und Beate Langmaack nun dasselbe Team ein weiteres Mal zusammen. Nebel ruhte über dem See, Nachdenklichkeit lag in den Bildern wie bei der Premiere des “Polizeiruf”-Duos aus Schwerin, doch sowohl die Moll-Tonart als auch das polizeiliche Doppel aus Witz und Larmoyanz wurde dieses Mal um einiges verspielter und damit vielschichtiger präsentiert. Große Oper mischte sich mit Staubsaugerlärm, Frühlingserwachen mit brutalem Mord und abstrusem Totenkult, Weltschmerz mit Süffisanz. Und weil die Beschäftigung mit dem Tod vor allem ein Nachdenken über das Leben ist, endete dieser bis ins Detail stimmig geschriebene Tiefgang-Krimi, der aber auch schauspielerisch wie inszenatorisch keine Wünsche offen ließ und ein Fest für die Sinne war, nicht ganz so düster und ausweglos wie andere Filme Kleinerts. tit.
Der ebenso pedantische wie verkappte Karrierist entdeckt plötzlich auch die Sorge um seinen Vater, der im Altersheim dahinvegetiert. Und Törner (wieder einmal glaubwürdig bis in die letzten Spitzen seines verwegenen Grauschopfs: Henry Hübchen), den das Leben in der Provinz ziemlich “abzutörnen” scheint, versucht sich nicht ganz uneigennützig als Seelentröster älterer Witwen. “Er ist auf der Suche und weiß nicht, was er sucht”, so Hübchen. Darin ist er sich treu geblieben. Aber er leidet mehr denn je unter der eigenen Lebenskrise. Für den Zuschauer ist das durchaus ein Gewinn. Denn Törner schwankt noch extremer zwischen himmelhochjauchzend und zutiefst betrübt. Nach Sehnsucht und Suff folgt der doppelte Katzenjammer. Törner zweifelt an allem, sogar der deutschen Sprache.
Dieser “Polizeiruf” ist Krimi & Drama zugleich, zeigt Menschen in ihren Widersprüchen. Bei Kleinert geht das sogar so weit, dass die Bestattungsunternehmergattin als Bettwäsche denselben Stoff bevorzugt, mit dem auch die Särge ausgeschlagen sind. Er und Langmaack geben den Figuren gelegentlich auch Träume mit auf den Weg und öffnen Wunschräume für sie. “Es ist interessant, dass wir anders handeln als fühlen und anders sprechen als fühlen”, so die Autorin. Es geht in “Winterende” mehr als um die Suche nach dem Täter um Fluchtmöglichkeiten aus dem grauen Alltag. Auch wenn sie wie bei Törner nur im Kopf stattfinden, sie sind da, der Frühling naht, und alles wird besser werden. (Text-Stand: 2004)