Polizeiruf 110 – Vater Unser

Edgar Selges Zyniker Tauber persifliert Nazi-Rhetorik und steht unter Mordverdacht

Foto: BR / Christian A. Rieger
Foto Rainer Tittelbach

Schmerzhafte Erinnerungen kommen bei Tauber auf, Erinnerungen an seinen Erzeuger und dessen braune Vergangenheit. Doch damit nicht genug. Tauber gerät auch noch unter Mordverdacht… Der Film nach dem Drehbuch von Christian Jeltsch, den Bernd Schadewald schauspielerisch intensiv und ohne großen inszenatorischen Schnickschnack inszeniert hat, ist alles andere als eines jener nur gut gemeinten Vergangenheitsbewältigungs-Dramen.

Im BR-“Polizeiruf 110: Vater Unser” kommen schmerzhafte Erinnerungen bei Kommissar Tauber auf, Erinnerungen an seinen Erzeuger und dessen braune Vergangenheit. Doch damit nicht genug. Der Grübler und Moralist Tauber gerät auch noch unter Mordverdacht… “Polizisten haben wie alle anderen gute und schlechte Tage – haben Schulden, Haarausfall, haben Liebeskummer”, versucht er zu Beginn, Schüler zu überzeugen, dass er und seine Kollegen ganz normale Menschen seien, mit ganz normalen Problemen. Und auch Polizisten können sich ihre Eltern nicht aussuchen. Der überzeugte Achtundsechziger 68er Tauber hat mit seinem Vater gebrochen, bis zu dessen Tod kam es zu keiner Versöhnung.

Wie sich der hochdekorierte Nazi mit Hilfe von Verdrängung nach dem Krieg als Pfarrer in der Bundesrepublik einrichtete, so hat auch Tauber junior jahrelang auf Verdrängung seiner Familiengeschichte gesetzt, um zu überleben. Doch die Verdrängung hat ein Ende, als sich eines Tages Transportkisten aus Montevideo vor seiner Wohnung stapeln. Inhalt: die “Wittlich-Sammlung”, bestehend aus begehrten Militaria-Pretiosen. Sammler bedrängen ihn. Der Wahnwitz, mit dem diese Nazi-Nostalgiker den Schätzen der verlorenen Zeiten hinterherjagen, irritiert ihn. Beantworten lässt sie sich nur mit noch größerem Wahnwitz. Und so erscheint der unter Mordverdacht stehende Kommissar in Wehrmachtsuniform, Stechschritt und Hitlerschem Gestus zur Vernehmung. Selge, ein Meister der Groteske!

Polizeiruf 110 – Vater UnserFoto: BR / Christian A. Rieger
Der Wahnwitz, mit dem die Nazi-Nostalgiker den Schätzen der verlorenen Zeiten hinterherjagen, irritiert Tauber (Edgar Selge). Beantworten lässt er sich nur mit noch größerem Wahnwitz. Michaela May und Franziska Walser

Autor Christian Jeltsch hat einen außergewöhnlichen “Polizeiruf” geschrieben. “Das Verletzen der Spielregeln einer Krimi-Reihe ist immer reizvoll”, findet der Grimme- und Fernsehpreis-Sieger. Es bereitet ihm sichtlich Vergnügen, die Kommissare sich in Familienangelegenheiten verstricken und den Zuschauer eine halbe Stunde auf die genreübliche Leiche warten zu lassen. Und sogar der Lichterketten-bewegten Jo Obermaier gibt er “eine neue Farbe”. Der sechswöchige Aufenthalt der Familie ihres Gatten Tarik lässt sie ungewohnte Töne anschlagen: “Ausländer raus”, fordert sie, doch anders als ein deutschnationaler Jungspund, der einen Brandanschlag auf Tariks Werkstatt verübt, meint sie: raus aus ihrer Wohnung.

“Vater Unser” ist ein thematisch wie formal dichter Krimi geworden. Obwohl die Geschichte schwer auf den Schultern von Kommissar Tauber lastet, ist der Film, den Bernd Schadewald schauspielerisch intensiv und ohne großen inszenatorischen Schnickschnack inszeniert hat, alles andere als eines jener nur gut gemeinten Vergangenheitsbewältigungs-Dramen.

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Reihe

BR

Mit Edgar Selge, Michaela May, Franziska Walser, Nikolaus Paryla, Fritz Lichtenhahn, Adele Neuhauser, Stefan Hunstein

Kamera: Helmut Pirnat

Schnitt: Anja von Rüxleben

Produktionsfirma: die film gmbh

Produktion: Uli Aselmann

Drehbuch: Christian Jeltsch

Regie: Bernd Schadewald

EA: 22.08.2004 20:15 Uhr | ARD

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