Einen Kriminalfilm, der die Ermittler in die HipHop-Szene führt, “Totenstille” zu nennen, zeugt von dem nötigen Augenzwinkern, das eine Reihe wie “Polizeiruf 110” im Zeitalter der Krimi-Inflation nur allzu gut vertragen kann. Grosche, Schlosser und die auf Babyurlaub weilende Carol sind drei Kommissare mit dem Herz am rechten Fleck, und ihr dritter Einsatz beim hessischen Rundfunk ist ein menschlicher Film geworden, der die privaten Geschichten seiner drei Offenbacher Kripo-Beamten nicht aus dem Blick verliert: ein Crossover zwischen traditioneller Milieustudie und Whodunit, zwischen Eckkneipe und Jugendkult.
Die Offenbacher Musik-Scene steht Kopf. Robert Sennefeld, der es als Snuff Bobby G in den USA zum Star-Produzenten geschafft hat, ist mal wieder im Lande. Angeblich wollte er nur seine Mutter besuchen, jetzt steht er auf einmal unter Mordverdacht. Ein anderer Musikproduzent, dem Sennefeld seine Songs für lau abgekauft hat, um sie unter seinem Namen zu einträglichen Hits zu machen, wurde ermordet, einem dritten wurde das Tonstudio kurz und klein geschlagen. Dieser “Krieg” ist den beiden Kommissaren mehr als fremd. Dafür fungiert Kollegin Carol, die es selbst als Soul-Sängerin versucht hat und in Musikerkreisen verkehrt, als “Guide” durch den Dickicht der Scene.
Foto: HR / Thomas Hoenig
Dieter Montag als altgedienter Kommissar Schlosser und Chantal de Freitas als quirlige und zugleich nachdenkliche Carol sind schon gut und glaubwürdig, Oliver Stokowski aber ist einfach großartig, wie er ermittelt oder an der Kneipentheke abhängt. Ein Typ zum Anfassen, der anders als die “Tatort”-Kumpel Bernd-Michael Lade oder Dietmar Bär seinen Grosche einen Tick weicher und komplexbeladener spielen darf. Das bewährte Autoren-Gespann Rudi Bergmann und Rolf Silber (“Echte Kerle”) hat einen runden Charakter geschaffen, “einen, der sich um die Täter und ihre Motive bemüht”, so HR-Redakteur Dietmar Schings, und der selbstironisch ist, ohne dass es wie bei Stoever & Brockmöller zur Marotte wird. “Wir versuchen durchaus etwas Schräges in die Geschichten reinzubringen”, sagt Schings.
“Totenstille” überzeugt auch durch die Regie von Marc Hertel, einem Absolventen der Ludwigsburger Filmakademie. Bis auf wenige filmsprachliche Manierismen hält seine Inszenierung stets eine angenehme Spannung aus ruhiger Milieu-Schilderung und bewegtem Club- und Studioleben, ohne diesen Gegensatz in knallige Kontraste aufzulösen. Sehr überzeugend auch die Verkörpeung dieser beiden Welten durch Johann von Bülow als Snuff Bobby G und Cornelia Froboess als dessen 68er-bewegte Mutter. (Text-Stand: 6.2.2000)