Polizeiruf 110 – Im Netz der Spinne

Gaby Dohm über ihre Rolle als Polizeipsychologin im BR-"Polizeiruf 110" von 1997

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Foto Rainer Tittelbach

„Die Psychologie ist noch zu kurz gekommen.“ Nicht nur Gaby Dohm war 1997 mit den ersten beiden Fällen des BR-„Polizeiruf 110“, in dem sie eine Psychologin spielt, die der überforderten Nürnberger Polizei bisweilen verhaltenstherapeutisch unter die Arme greift, unzufrieden. Auch Zuschauer, Kritik und die Senderverantwortlichen waren wenig erbaut über u.a. „Im Netz der Spinne“, der im Zuge der BBC-Kultserie „Fitz“ entwickelt wurde.

„Die Psychologie ist noch zu kurz gekommen“, befindet Gaby Dohm nach den ersten beiden Fällen des neuen „Polizeiruf 110“ vom Bayerischen Rundfunk, in dem sie eine Psychologin spielt, die der überforderten Nürnberger Polizei bisweilen verhaltenstherapeutisch unter die Arme greift. Doch der einstige Liebling der „Schwarzwaldklinik“, noch immer mit einem Bekanntheitsgrad von 92 Prozent bei der deutschen Bevölkerung, ist zuversichtlich, dass die Geschichten hinter den Kriminalstorys künftig stärker in den Blickpunkt rücken.

Noch dominiert klassische Ermittler-Routine. Habgier oder Eifersucht, andere Mordmotive kennt Kripochef Maiwald nicht. Der interessiert sich ohnehin mehr für seine Pathologin als für den Mord an einer wohlhabenden Bulimikerin. Für ihn steht fest: der jähzornige Ehemann war’s. Wer auf Sadomaso steht, hat bei der Nürnberger Kripo keine guten Karten. Erst als herauskommt, dass die Schönheitsklinik, in der die Tote regelmäßig Entspannung suchte, zum Alleinerben erklärt wurde, wird er misstrauisch. Es trifft sich gut, dass er einen Draht zur Psychologin Silvia Jansen hat. Die schickt er in die Höhle des Löwen.

Ein pragmatischer Polizist und eine am Menschen interessierte Psychologin versuchen sich im Miteinander, doch nie wird es ein bedingungsloses Miteinander. „Dr. Jansen ist langsamer, ist interessierter daran, Leute zum Reden zu bringen und von sich zu erzählen, anstatt einen Fall nur schnell abzuschließen, um vor Politikern gut dazustehen“, sagt Dohm. Mit dieser weiblichen Art der Ermittlung, glaubt sie, hänge auch der Trend zu weiblichen Krimihelden zusammen. „Frauen sind oft neugieriger, haben mehr Gefühl und einen besonderen Zugang zur Psychologie, sind nicht so schnell auf der kämpfenden Seite und dadurch nicht so rasch blockiert.“ Der männliche Jagdinstinkt sei im Krimi an seine Grenzen geraten.

Klingt einigermaßen plausibel. Schade nur, dass der Auftakt zur Reihe wenig davon vermittelt. Das findet auch Gaby Dohm. „Zu kurz gekommen ist auch die Einführung der Figur. Warum macht sie eigentlich diesen Job?!“ Mit der Kultserie „Für alle Fälle Fitz“ (der BR zog wohlweislich den Arbeitstitel „Eine Frau für alle Fälle zurück“) hat dieser erste „Polizeiruf – Im Netz der Spinne“ also wenig zu tun. Die Psychologie ist weder Movens der Handlung, noch werden dem Zuschauer Einblicke in die Abgründe der Seele gewährt. So gibt es keinerlei Zusammenhänge zwischen Bluttat und psychischem Defekt. Vielmehr wird in klassischer Serien-Ideologie den „Guten“ das böse Kranke gegenübergestellt. Die dunkle Seite der guten Seele hat in diesem konventionellen, fast reaktionären Krimi keine Existenzberechtigung. Wer den klassischen DFF-„Polizeiruf“ kennt, jene Opfer/Täter-Krimis, in denen stets die Tatmotive wichtiger waren als die Ermittlung, der muss jenen zumindest handwerklich routiniert gemachten Krimi von Klaus-Peter Wolf („Sportarzt Conny Knipper“) und Regisseur Erwin Keusch geradezu als ein Abwatschen der DDR-Fernsehgeschichte empfinden.

Für ihre Rolle hat sich Gaby Dohm von einer Psychologin hinreichend beraten lassen. „Wie schützt man sich davor, zusehr in einen bestimmten Krankheitsfall involviert zu sein und mit dem Täter unter Umständen zu sehr mitzuleiden?“ – das wollte sie vor allem wissen. „Anscheinend muss man sich schon in gewisser Weise mit dem Patienten identifizieren. Man muss eine Leidensfähigkeit haben, muss sich aber auch durch Selbstanalyse davor bewahren, sich zu sehr auf eine Geschichte einzulassen“, betont Gaby Dohm. Sie jedenfalls scheint bestens gerüstet für bessere Geschichten. (Text-Stand: 26.10.1997)

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Reihe

BR

Mit Gaby Dohm, Peter Strombeck, Max Volkert Martens, Armin Rohde, Gilbert von Sohlern, Andrea Sawatzki, Regine Leonhardt

Kamera: Harry Bruntz

Schnitt: Michaela Koch

Musik: Andreas Köbner

Produktionsfirma: Infafilm

Drehbuch: Klaus-Peter Wolf

Regie: Erwin Keusch

EA: 26.10.1997 20:15 Uhr | ARD

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