Die Reihe „Polizeiruf 110“ war viele Jahre lang so etwas wie die kleine Stiefschwester vom „Tatort“. Die Fälle waren nie so spektakulär, die Kommissare bei weitem nicht so bekannt, der Aufwand war ebenfalls geringer, und mitunter gibt es nicht mal einen Mörder. Trotzdem werden die Filme immer wieder mit Preisen bedacht, weil hier die Formatierung nicht so starr ist wie beim großen Krimibruder; Autoren und Regisseure haben mehr Freiheiten. Der doppelte Herbert aus Halle (Jaecki Schwarz, Wolfgang Winkler) schmort zwar schon länger bloß noch im eigenen Saft, aber dafür sind die Geschichten aus München (mit Edgar Selge als einzigem einarmigem Ermittler im deutschen Fernsehen) und Schwerin (Uwe Steimle, Felix Eitner) immer wieder für Überraschungen gut. Auch die Brandenburger Beiträge haben schon zwei Grimme-Preise bekommen: 1995 für „Totes Gleis“, im letzten Jahr für „Kleine Frau“.
Der neue Film wird wohl nicht in den Genuss solcher Ehren kommen, aber sehenswert ist „Gefährliches Vertrauen“ aus verschiedensten Gründen trotzdem. Zum einen ist die Aufgabe für Kommissarin Johanna Herz (Kogge) recht verzwickt: Es gibt zwar nur eine Leiche, aber dafür gewissermaßen zwei Mordfälle. Zum zweiten wird die Sache reizvoll, weil einer der dringend Verdächtigen von Florian Martens gespielt wird. Der hat im Zusammenhang mit diesem Film verraten, dass er Mörder, Gejagte und psychisch Labile am liebsten verkörpere. Trotzdem werden ihn die meisten Zuschauer vor allem als berlinernden Ordnungshüter aus dem „Starken Team“ (ZDF) kennen und schätzen. Für diesen „Polizeiruf“ hat Martens nun die Seiten gewechselt: zur Krimireihe der Konkurrenz und außerdem als Gesetzesbrecher. Prompt gerät der Bauunternehmer Rausch auch in dringenden Mordverdacht, als eine Journalistin aus der oberen Etage eines Rohbaus in den Tod stürzt: Sie war Rauschs Machenschaften auf die Schliche gekommen. Der hat schon seit Jahren in großem Stil den Leiter des Bauamts (Thieme) geschmiert, um bei lukrativen Aufträgen bevorzugt zu werden. Nun schieben sich die beiden Ganoven gegenseitig den Schwarzen Peter zu, und eigentlich gerät die Ermittlerin nur durch Zufall auf eine ganz andere Spur. Genau genommen ist es wieder mal Polizeihauptmeister Krause (Krause), der entdeckt, dass es noch einen zweiten Fall gibt. Eigentlich soll er auf seine Nichte Laura (Dychauk) aufpassen, weil ihre Mutter in den Flitterwochen weilt, doch plötzlich ist die 13-Jährige verschwunden: Thomas Kotschek (Scheve), ein an sich gar nicht unsympathischer Mensch, hat ihr Flausen in den Kopf gesetzt und ihr versprochen, sie als Model groß rauszubringen. Und wie der Zufall so spielt: Kotschek ist Bauherr just jenes Gebäudes, vor dem die kritische Journalisten in ihrem Blute lag.
Regisseur Bodo Fürneisen, dem „Polizeiruf“ und anderen Reihen seit langem treu verbunden, inszeniert auch diesen Krimi gewohnt unaufgeregt. Aber die Geschichte (Buch: Jan Hellstern, Felix Mennen) ist hübsch undurchsichtig, die Darsteller sind das Zuschauen allemal wert und die Nebenschauplätze interessant. Das gilt vor allem für die kleine Beziehungskrise der Kommissarin, auf die ihr Lebensgefährte (Prager) mit einem Satz hinweist, den man sich am liebsten markieren würde: „Du behandelst mich wie einen Gast, der nicht abreisen will“.