Ein Rentner wird ermordet aufgefunden. Draußen in München Erding. Die Zuständigkeiten sind nicht ganz klar. Also ermitteln Obermaier, Tauber und dessen früherer Chef gemeinsam den Fall, bei dem offenbar sowieso nur ein Täter in Frage kommt: Maria Lorenz, eine ehemalige Prostituierte, die sich auf das “Ausnehmen” älterer Herren spezialisiert hat. Nachweisen aber kann man der jungen Frau nichts. Verhöre, unter Druck setzen, drohen, das bringt bei ihr wenig. Sie muss zum Reden verführt werden. Dafür ist Kollege Tauber genau der Richtige, denn der passt hundertprozentig Marias Beuteschema.
“Das Verbrechen zieht an die Ränder der Städte“, heißt es in diesem “Polizeiruf 110“ des BR. Ein Glück für Dominik Graf, der den Polizeifilm über alles liebt und zugleich fasziniert ist von jenen Vorstadtbiotopen, in denen sich Parallelwelten bilden, die besonders in der Gegend um München bizarre Formen annehmen. Da werden Bordelle zum Paradies auf Erden und Zuhälter zu Halbgöttern. Hier zu ermitteln ist ein harter Job. “Wenn draußen die Feriensonne scheint und das Weißbier lacht, dann zieht sich die lichtscheue Wahrheit in noch verborgenere Höhlen zurück als ohnehin schon”, bringt es Graf auf den poetischen Punkt. Da ist Psychologie gefragt. Und die Fähigkeit, kleinbürgerliche Fassaden aufzubrechen und sich nicht von der Harmlosigkeit der bayerischen Lebensart täuschen zu lassen. Im Klartext: Das ist Taubers Fall. Ihm gelingt es, dass aus dem Verhör eine Psychobeichte wird.
Der Film, dem es ebenso gelingt, aus der mit Rückblenden durchsetzten Vernehmung, Interesse an diesem seltsamen “Früchtchen” zu wecken und zugleich sehr viel Spannung aufzubauen, ist entstanden nach einem wahren Fall. Der Drehbuchautor Rolf Basedow (“Sperling”) stützte sich dabei auf die Originalprotokolle. Er hat mit der echten “Maria” und auch mit ihrem geduldigen “Beichtvater” gesprochen. Dominik Graf war begeistert von dem Buch. “Wie in all seinen Geschichten erforscht Basedow auch hier eine unbekannte Welt, die wie ein Negativabdruck unserer neobürgerlichen Wirklichkeit wirkt”, betont Graf. “Und er gießt auch in diese Geschichte Lebensgesetze, die dem Zuschauer nur auf den ersten Blick merkwürdig fremd erscheinen.” Dabei entsteht ein Bild von einer Frau, die gefangen ist in ihrer Welt. Eine Frau, deren Lebensweg sie vom Heim direkt ins Bordell führte, die kein Unrechtsempfinden zu besitzen scheint, die nie so etwas wie Selbstverantwortlichkeit und Moral gelernt hat. Stets ist es eine höhere Instanz, die befiehlt. “Ich konnte doch nicht anders”, seufzt die tragische Antagonistin, die plötzlich in der Untersuchungshaft eine Freiheit spürt, die sie nie hatte. “Er sollte tot”, wiederholt sie immer wieder. Ein Satz aus dem Protokoll, der zum Filmtitel wurde. Graf: “Aus dieser Art Sprache spricht die Angst.”
Jene naiv-kindliche Prostituierte spielt Rosalie Thomass, die bereits positiv auffiel mit ihren Rollen als verschlossener Teenager in “Emilia“ und “Leo“. Für ihre Darstellung ihrer “tödlichen Maria” bekam die 19-Jährige auf dem Münchner Filmfest den Förderpreis Deutscher Film. Zu verdanken hat sie das auch dem authentischen Drehbuch und der intelligenten Regie. Mit präzisen, knappen Dialogen brillieren die Schauspieler und immer wieder blitzt eine dezente, zu den Figuren passende Ironie auf in diesem Kammerspiel, das Graf mit einem unglaublichen Gespür für die Spielarten der Montage veredelt. So wie sich die vermeintliche Mörderin fast ohne Gegenwehr in den Sumpf einer garstigen Wirklichkeit hineinziehen lässt, so bleibt auch dem Zuschauer bei diesem unkonventionellen Krimi nichts anderes übrig, als sich dem suggestiven Sog des Films zu ergeben.