Arm in Arm stöckeln Menora (Božidar Kocevski), Peecabou (Meik van Severen) und Tulip (Patrice Grießmeier) nach ihrer Drag-Show im „Rainbow“ nach Hause – und werden Zeuginnen eines Mordes. Zwei Unbekannte schlagen einen Mann zusammen und töten ihn schließlich mit fünf Schüssen. Die Täter erkennen zwar, dass sie beobachtet wurden, machen sich aber in der Gewissheit, das auffällige Trio wiederzufinden, aus dem Staub. „Lass, die kriegen wir noch“, sagt der eine zum anderen. Damit soll er Recht behalten, allerdings knüpft auch Kommissarin Cris Blohm (Johanna Wokalek) frühzeitig Kontakt zu den Dragqueens, denn die drei „Sweethearts vom Viertel“, wie sie sich selbst bezeichnen, sind tags darauf neugierige Zaungäste bei der Spurensicherung im Bahnhofsviertel. Außerdem hat eine Überwachungskamera ihre panische Flucht dokumentiert. Nur mit der Kooperation hapert es. „Wem sollen wir denn helfen? Einer Gesellschaft, die uns mobbt und auslacht, die uns anspuckt auf der Straße, uns mit Glasflaschen bewirft, uns hasst und uns trotzdem begrapscht? Für die Idioten sollen wir unseren Kopf hinhalten?“, fragt Menora und weist Blohms Bitte um eine Zeugenaussage zurück: „Der Mord da draußen gehört in deine Welt.“
Foto: BR / Bantry Bay / Jürgen Olczyk
Der vierte „Polizeiruf“ aus München mit Cris Blohm handelt nun auf unterhaltsame Weise davon, wie die verschiedenen Welten dennoch zusammenfinden. Die Täter stöbern die „Rainbow Bitches“, wie sie sich auf der Webseite des Clubs nennen, schnell auf, was zeitweise in eine Art Actionkomödie mündet. Etwa wenn Peecabou nur mit Mühe und Not im rosa Bademantel über die Feuerleiter seiner Wohnung entkommt. Der queere Humor, das schrille Spiel mit den Geschlechterbildern in farbenfrohen Kostümen und exzentrischen Maskenbildern – all das gehört natürlich unbedingt dazu. Aber die Dragqueens bleiben keine exotischen, schrill überzeichneten Klischeefiguren, denn Blohm und Kommissar Dennis Eden (Stephan Zinner) fahren mit Menora, Peecabou (samt Schoßhündchen) und Tulip auf der Rückbank hinaus aufs Land, in ein leer stehendes, leicht heruntergekommenes Hotel. Einerseits um sie vor dem Zugriff der Killer zu schützen und andererseits um Vertrauen aufzubauen und das Trio doch noch zu einer gemeinsamen Aussage vor Gericht zu bewegen.
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Der Land-Ausflug ist das besonders gelungene Herzstück dieser Filmmischung aus Krimi und Dramedy, weil alle fünf Figuren an Profil gewinnen und es zu berührenden Szenen der Annäherung und eines tieferen Verständnisses kommt. Die Dialoge dienen schon mal der Aufklärung über Begriffe und queere Kultur, sind oft aber auch amüsant, pointiert und dann wieder von einer großen Ernsthaftigkeit. Sogar Eden, das klassisch-bayerische Mannsbild, das eigentlich den „bad cop“ geben soll, überrascht: Ihm schlägt als „Cis-Hete“ das Misstrauen der Dragqueens entgegen, doch dann entwickelt sich zwischen ihm und Peecabou eine geradezu zärtliche Freundschaft. Ein besonders intensives Zwiegespräch entwickelt sich zwischen der von ihrer iranischen Familie verstoßenen Menora und der alleinstehenden Kommissarin Blohm. Dank Dror Zahavis Inszenierung und dank des überzeugenden Spiels von Wokalek und Kocevski bleibt die Szene frei von Kitsch und Pathos. „Wir Menschen sind gar nicht so unterschiedlich. Wir werden alle nackt geboren und der Rest ist Verkleidung“, zitiert Menora die Dragqueen-Ikone der 1990er Jahre RuPaul. Damit wird auch das Bilderrätsel zu Beginn des Films gelöst: Da zeigt die Kamera ein Paar nackter Füße und anschließend mehrere Passanten mit unterschiedlichen Schuhen – eine Metapher der Vielfalt.
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Die Killer sind hartnäckig genug, um für ausreichend Spannung zu sorgen. Ansonsten ist die Krimihandlung um Gentrifizierung und die Macht der Immobilienmafia eher Nebensache, und so wirkt auch die Darstellung vom Niedergang des Bahnhofsviertels behauptet und die gesellschaftspolitische Kritik an der Entwicklung in den Großstädten oberflächlich. Dafür ist jedoch genügend Zeit für eine sorgfältige Erzählung über drei queere Persönlichkeiten, authentisch gespielt von Darstellern, die selbst schon als Dragqueens aufgetreten sind oder wie Božidar Kocevski in mehreren Filmen von Rosa von Praunheim mitspielten. Zahavi und Drehbuch-Autor Günter Schütter appellieren an den Respekt vor unterschiedlichen Lebensentwürfen auf kurzweilige, herzerwärmende und auch musikalische Weise, vom markanten „In a Persian Market“ des britischen Komponisten Albert Ketèlbey zu Beginn über das unvermeidliche „YMCA“ der Village People bis zum 1980er-Jahre-Klassiker „That’s What Friends Are For“ am Schluss, vorgetragen von einem Quartett aus Dragqueens, inklusive Kommissarin. Einen Bananenfisch gibt es übrigens nicht wirklich, der Titel bezieht sich wohl auf eine Kurzgeschichte von J.D. Salinger („A Perfect Day for Bananafish“), die von einem US-amerikanischen Kriegsveteranen handelt, der sich wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg selbst tötete. „Das war kein feiner Tag für den Bananenfisch“, jammert Tulip einmal, während sich die drei Dragqueens samt Bohm und Eden in einem Feld vor den Killern verstecken. Immerhin endet die Außenseiter-Parabel im „Polizeiruf“ weniger tragisch als beim „Fänger im Roggen“-Autor Salinger.