Polizeiruf 110 – Ein feiner Tag für den Bananenfisch

Wokalek, Zinner, Kocevski, van Severen, Grießmeier, Schütter, Zahavi. Queeres Leben & Gentrifizierung

18.05.2025 20:15 ARD TV-Premiere
18.05.2025 20:15 ARD-Mediathek Mediathek-Premiere
18.05.2025 21:45 One
20.05.2025 00:15 ARD
Foto: BR / Bantry Bay / Jürgen Olczyk
Foto Thomas Gehringer

Ein munteres Dragqueen-Trio mischt den Münchener „Polizeiruf“ auf: „Ein feiner Tag für den Bananenfisch“ (BR / Bantry Bay Productions), die vierte Episode mit Kommissarin Cris Blohm (Johanna Wokalek), ist ein kurzweiliger Trip in die queere Subkultur, glaubwürdig gespielt von szenekundigen Schauspielern (Božidar Kocevski, Meik van Severen, Patrice Grießmeier). Die Krimihandlung um Gentrifizierung und Organisierte Kriminalität bleibt etwas oberflächlich, sorgt aber für gehörige Spannung. Weil zwei Killer hinter den Dragqueens her sind, flüchten Blohm und ihr Kollege Dennis Eden (Stephan Zinner) mit dem Trio in ein leerstehendes Hotel auf dem Land. Das interkulturelle, von wachsendem Verständnis geprägte Intermezzo ist dank kluger und humorvoller Dialoge (Drehbuch: Günter Schütter) sowie einer empathischen, lebendigen Inszenierung (Regie: Dror Zahavi) das herausragende Herzstück des Films.

Arm in Arm stöckeln Menora (Božidar Kocevski), Peecabou (Meik van Severen) und Tulip (Patrice Grießmeier) nach ihrer Drag-Show im „Rainbow“ nach Hause – und werden Zeuginnen eines Mordes. Zwei Unbekannte schlagen einen Mann zusammen und töten ihn schließlich mit fünf Schüssen. Die Täter erkennen zwar, dass sie beobachtet wurden, machen sich aber in der Gewissheit, das auffällige Trio wiederzufinden, aus dem Staub. „Lass, die kriegen wir noch“, sagt der eine zum anderen. Damit soll er Recht behalten, allerdings knüpft auch Kommissarin Cris Blohm (Johanna Wokalek) frühzeitig Kontakt zu den Dragqueens, denn die drei „Sweethearts vom Viertel“, wie sie sich selbst bezeichnen, sind tags darauf neugierige Zaungäste bei der Spurensicherung im Bahnhofsviertel. Außerdem hat eine Überwachungskamera ihre panische Flucht dokumentiert. Nur mit der Kooperation hapert es. „Wem sollen wir denn helfen? Einer Gesellschaft, die uns mobbt und auslacht, die uns anspuckt auf der Straße, uns mit Glasflaschen bewirft, uns hasst und uns trotzdem begrapscht? Für die Idioten sollen wir unseren Kopf hinhalten?“, fragt Menora und weist Blohms Bitte um eine Zeugenaussage zurück: „Der Mord da draußen gehört in deine Welt.“

Polizeiruf 110 – Ein feiner Tag für den BananenfischFoto: BR / Bantry Bay / Jürgen Olczyk
Cris Blohm (Johanna Wokalek) am Tatort. Es gibt drei Zeuginnen für den Mord. Sie weigern sich allerdings strikt, auszusagen.

Der vierte „Polizeiruf“ aus München mit Cris Blohm handelt nun auf unterhaltsame Weise davon, wie die verschiedenen Welten dennoch zusammenfinden. Die Täter stöbern die „Rainbow Bitches“, wie sie sich auf der Webseite des Clubs nennen, schnell auf, was zeitweise in eine Art Actionkomödie mündet. Etwa wenn Peecabou nur mit Mühe und Not im rosa Bademantel über die Feuerleiter seiner Wohnung entkommt. Der queere Humor, das schrille Spiel mit den Geschlechterbildern in farbenfrohen Kostümen und exzentrischen Maskenbildern – all das gehört natürlich unbedingt dazu. Aber die Dragqueens bleiben keine exotischen, schrill überzeichneten Klischeefiguren, denn Blohm und Kommissar Dennis Eden (Stephan Zinner) fahren mit Menora, Peecabou (samt Schoßhündchen) und Tulip auf der Rückbank hinaus aufs Land, in ein leer stehendes, leicht heruntergekommenes Hotel. Einerseits um sie vor dem Zugriff der Killer zu schützen und andererseits um Vertrauen aufzubauen und das Trio doch noch zu einer gemeinsamen Aussage vor Gericht zu bewegen.

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Zur falschen Zeit am falschen Ort: Tulip (Patrice Grießmeier), Menora (Boži Kocevski) und Peekabou (Meik van Severen). Später appellieren Zahavi und Schütter an den Respekt vor unterschiedlichen Lebensentwürfen, kurzweilig und herzerwärmend.

Der Land-Ausflug ist das besonders gelungene Herzstück dieser Filmmischung aus Krimi und Dramedy, weil alle fünf Figuren an Profil gewinnen und es zu berührenden Szenen der Annäherung und eines tieferen Verständnisses kommt. Die Dialoge dienen schon mal der Aufklärung über Begriffe und queere Kultur, sind oft aber auch amüsant, pointiert und dann wieder von einer großen Ernsthaftigkeit. Sogar Eden, das klassisch-bayerische Mannsbild, das eigentlich den „bad cop“ geben soll, überrascht: Ihm schlägt als „Cis-Hete“ das Misstrauen der Dragqueens entgegen, doch dann entwickelt sich zwischen ihm und Peecabou eine geradezu zärtliche Freundschaft. Ein besonders intensives Zwiegespräch entwickelt sich zwischen der von ihrer iranischen Familie verstoßenen Menora und der alleinstehenden Kommissarin Blohm. Dank Dror Zahavis Inszenierung und dank des überzeugenden Spiels von Wokalek und Kocevski bleibt die Szene frei von Kitsch und Pathos. „Wir Menschen sind gar nicht so unterschiedlich. Wir werden alle nackt geboren und der Rest ist Verkleidung“, zitiert Menora die Dragqueen-Ikone der 1990er Jahre RuPaul. Damit wird auch das Bilderrätsel zu Beginn des Films gelöst: Da zeigt die Kamera ein Paar nackter Füße und anschließend mehrere Passanten mit unterschiedlichen Schuhen – eine Metapher der Vielfalt.

Polizeiruf 110 – Ein feiner Tag für den BananenfischFoto: BR / Bantry Bay / Jürgen Olczyk
Die Killer sind hartnäckig genug, um für ausreichend Spannung zu sorgen. Doch parallel dazu entwickeln sich bei dem Landausflug – frei von Kitsch und Pathos – vielfältige Beziehungen zwischen Cris Blom (Johanna Wokalek), Dennis Eden (Stephan Zinner) und ihren drei Schutzbefohlenen, Peekabou (Meik van Severen), Menora (Boži Kocevski) & Tulip (Patrice Grießmeier).

Die Killer sind hartnäckig genug, um für ausreichend Spannung zu sorgen. Ansonsten ist die Krimihandlung um Gentrifizierung und die Macht der Immobilienmafia eher Nebensache, und so wirkt auch die Darstellung vom Niedergang des Bahnhofsviertels behauptet und die gesellschaftspolitische Kritik an der Entwicklung in den Großstädten oberflächlich. Dafür ist jedoch genügend Zeit für eine sorgfältige Erzählung über drei queere Persönlichkeiten, authentisch gespielt von Darstellern, die selbst schon als Dragqueens aufgetreten sind oder wie Božidar Kocevski in mehreren Filmen von Rosa von Praunheim mitspielten. Zahavi und Drehbuch-Autor Günter Schütter appellieren an den Respekt vor unterschiedlichen Lebensentwürfen auf kurzweilige, herzerwärmende und auch musikalische Weise, vom markanten „In a Persian Market“ des britischen Komponisten Albert Ketèlbey zu Beginn über das unvermeidliche „YMCA“ der Village People bis zum 1980er-Jahre-Klassiker „That’s What Friends Are For“ am Schluss, vorgetragen von einem Quartett aus Dragqueens, inklusive Kommissarin. Einen Bananenfisch gibt es übrigens nicht wirklich, der Titel bezieht sich wohl auf eine Kurzgeschichte von J.D. Salinger („A Perfect Day for Bananafish“), die von einem US-amerikanischen Kriegsveteranen handelt, der sich wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg selbst tötete. „Das war kein feiner Tag für den Bananenfisch“, jammert Tulip einmal, während sich die drei Dragqueens samt Bohm und Eden in einem Feld vor den Killern verstecken. Immerhin endet die Außenseiter-Parabel im „Polizeiruf“ weniger tragisch als beim „Fänger im Roggen“-Autor Salinger.

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Reihe

BR

Mit Johanna Wokalek, Stephan Zinner, Božidar Kocevski, Meik van Severen, Patrice Grießmeier, Arton Bunjaku, Adrian Vasile But, Simon Steinhorst, Karime Vakilzadeh, Ali Bulgan, Ilirjane Sina, Martin Müller, Anthony Curtis Kirby

Kamera: Sonja Rom

Szenenbild: Gabriele Wolff

Kostüm: Stefanie Bruhn

Maske: Michaela Häusler

Schnitt: Fritz Busse

Musik: Martin Stock

Redaktion: Claudia Simionescu, Tobias Schultze

Produktionsfirma: Bantry Bay Productions

Produktion: Ariane Krampe

Drehbuch: Günter Schütter

Regie: Dror Zahavi

EA: 18.05.2025 20:15 Uhr | ARD

weitere EA: 18.05.2025 20:15 Uhr | ARD-Mediathek

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